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Thema: Studentin bittet um Ratschläge für ein eventuelles Studium der Restaurierung

Beiträge (3) Besucher (9711)

giulia c
giulia c
Studentin bittet um Ratschläge für ein eventuelles Studium der Restaurierung
16.01.2011 / 20:21    #1

Erstmal möchte ich im Voraus Allen danken, die diesem Beitrag antworten werden.

Es wäre gut, mich zunächst vorzustellen.
Ich bin 23 Jahre alt, komme aus Italien und bin seit fast 8 Jahren in Münster. Darum möchte ich mich für eventuelle
sprachlichen Mängel entschuldigen. Ich habe mich noch nicht mit allen Eigenheiten der deutschen Sprache angefreundet :).
Nach dem Bachelor- Abschluss in Kunstgeschichte und Romanischer Philologie mit Schwerpunkt Italienische Literaturwissenschaft (Note 2,0)
habe ich den Master Trilingual (Italienisch, Französisch, Spanisch) angefangen. Ich werde voraussichtlich im Septemebr 2012
den Master- Abschluss erlangen.
Gelengentlich arbeite ich als Nachhilfelehrerin, Übersetzerin, Museumspädagogin.
Alles deutet auf eine Büro - Karriere hin. Warum ich also schreibe?

Seit meiner Jugend schlägt mein Herz schneller, wenn ich vor einem Gemälde oder einem kunsthandwerklichen Gegenstand stehe.
Sehe ich in Kirchen Restauratoren, die mit einem Pinsel in der Hand auf einem Gerüst in 10 Meter Höhe balancieren, erfüllt mich ein  gewisses Neidgefühl. Früher habe ich gerne ein bisschen "Kunst gemacht", graviere manchmal Glas.
Jedoch habe ich zu Gunsten angeblicher "Vernunft" meine Neigung zur Kunst zunehmend zurückgedrängt und mich
den romanischen Sprachen zugewandt. Aus Feigheit habe ich darauf verzichtet, ein Studium der Restaurierung bzw. ein Vorpraktikum
100 Km von meinem Freund und 1800 Km von meinen Eltern entfernt aufzunehmen.

Das macht mich etwas unglücklich: Wenn ich im Bereich der Sprachdienstleistungen arbeite, habe ich das Gefühl, vollkommen austauschbar zu sein, es ist schwer, darin zu glänzen.
Hingegen wird mir immer bewusster, wie wichtig Kunst und Restaurierung sind. Dies geschieht zunehmend seit einem Praktikum bei den Werkstätten für Restaurierung im Museum von Capodimonte in Neapel. Ich fand großartig, Restaurierungsberichte durchzulesen, man konnte so viel lernen,
was in den Büchern nicht steht, so viel verstehen!
Ich habe das Gefühl, dass Restauratoren mehr "bewegen", ihrem Leben größere Bedeutung geben, denn was wäre die Zukunft ohne die schönsten Zeugen unserer Vergangenheit? Ich glaube, etwa faat, ein Stück Geschichtsbewusstsein würde fehlen...
Erste Frage: Spinne ich? Würde ich Bekannten so was erzählen, würden sie mich mit dem gleichen Blick eines VW - T3 anstarren. :)

Zweite Frage:
Ich werde im November 24 Jahre alt, habe genau genommen keine Ahnung von Restaurierung und keinerlei handwerkliche Kenntnisse
oder Ausbildung. In meiner Familie wurde dies nicht nur vernachlässigt, sondern ungern gesehen.
Gibt es noch Hoffnung für mich, dementsprechende Fähigkeiten zu entwickeln, um dann Restauratorin zu werden?
Wie kann ich herausfinden, ob ich Potential habe oder nicht? Lohnt sich in meinem Alter eine solche Umwälzung?
Wäre eine doppelte selbstständige Tätigkeit als Restauratorin und Fachübersetzerin vorstellbar bzw. machbar? Habe
nähmlich Restauratoren mit einer halben Stelle kenngelernt.

Dritte Frage:
Ein Restaurator mit einem Lehrauftrag an der Uni Münster hat mir ein ziemlich düsteres Bild über den Stellenmarkt gemalt, besonders
im Bereich Gemälde. Aber ich möchte nicht so leicht aufgeben ...
Gibt es weniger überlaufene Bereiche? Wäre es sinnvoll, einen Bereich zu wählen, der stärker mit einem Handwerk zusammenhängt?
Wie sieht es genau mit Buchbinderhandwerk und Restaurierung von Bibliotheksgut in Deutschland und Italien aus?
Wenn ich diesen Weg einschlagen würde, wie kann ich mich persönlich während des Literaturstudiums vorbereiten?

Vierte Frage:
Welche Hochschulen genießen das größte Ansehen?
Warum kann man an manchen promovieren? Welche Vorteile bringt das?
Wäre ein restaurierungsspezifisches Praktikum in den Werkstätten von Capodimonte sinnvoll bzw. würde es meine Chancen auf einen Platz
für ein Vorpraktikum und dann für ein Studium besonders steigern?

Ich danke Allen für eventuelle Antworten und akzeptiere gern Kritik.

Giulia


Anzahl Bearbeitungen: 3
Alexander Grillparzer
Alexander Grillparzer
Re: Studentin bittet um Ratschläge für ein eventuelles Studium der Restaurierung
19.01.2011 / 22:39    #2

Hallo Giulia,

Dein Anliegen hast du sehr schön formuliert. Nur kurz zu mir: Ich bin selbst gerade Student im 5. Semester (noch Diplom) an der TU München am Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft von Herrn Prof. Emmerling, dort Studentensprecher, betreue unser Labor und die Mikroskopie und mache auch manchmal Studienberatung.
Ich finde du hast schon mal eine tolle Vorbildung mit deinem Kunstgeschichte-Studium! An unserem Lehrstuhl wäre dir das sehr von Nutzen. Auch deine Arbeit als Museumspädagogin finde ich sehr vorteilhaft.

Dein "Unglücklich sein" und deine kindliche (nicht negativ gemeint!) Begeisterung kann ich sehr gut nachvollziehen. Diese Begeisterung beizubehalten ist eine schöne Sache. Sie lässt dich offen und neugierig sein.
Ich bin der Meinung man sollte immer das machen, wonach einem das Herz strebt und nicht was der Geldbeutel diktiert. Es gibt viele Menschen auf der Welt die mit viel weniger leben als wir und viele, die einen Job nur machen, um viel Geld zu verdienen und sind dabei unglücklich. Dann kaufen sie sich teure Dinge um glücklich zu sein. Meiner Ansicht nach nicht besonders erstrebenswert.
Allerdings muss man schon zugeben dass man es als Restaurator nicht leicht hat. Wie ich gehört habe in Italien noch schwerer als in Deutschland, Genaueres weiss ich allerdings nicht. Als Freiberufler ist es denke ich wie in jeder freiberuflichen Tätigkeit: Viel Arbeit, lange Arbeitstage und immer Angst darum keine Aufträge zu bekommen. Die Arbeit ist stärker praxisorientiert und bietet weniger Möglichkeiten zum Forschen, da die Mittel meist nicht vorhanden sind. In Museen und Instituten, ich selbst habe zwei Jahre Praktikum am Bayerischen Nationalmuseum gemacht, ist die Arbeit weitaus büro- und theorielastiger. Vor allem Dokumentation und Leihverkehr machen einen großen Teil aus. Dafür ist die Ausstattung oft einfach traumhaft und es gibt häufiger die Möglichkeit an Forschungsprojekten teilzunehmen oder am Museum "was zu bewegen".

Dein Alter spielt denke ich keine Rolle. Ich werde diese Jahr 30, wie gesagt im 5. Semester (von insges. 9), ich habe Kommillitoninnen, die älter als ich sind und gerade erst anfangen und einige, die jünger sind und gerade ihre Diplomarbeit schreiben. Eine handwerkliche Ausbildung ist zwar meist von Vorteil aber nicht zwingend notwendig (zumindestens in Deutschland, soweit ich mich recht entsinne). Dies kann natürlich in speziellen Fachrichtungen (ich denke da an Orgel- oder Flugzeugrestaurierung) trotzdem notwendig sein. Das solltest du natürlich vorher mit der Hochschule klären.
Hoffnung besteht meiner Meinung nach für jeden, der das Herz und den Verstand für die Restaurierung hat. Handwerkliches und theoretisches lässt sich erlernen und Talente bilden sich schnell heraus. Meistens macht einem am meisten Spaß, was man besonders gut kann. Ein "umlernen" ist "in deinem Alter" garkein Problem. Viele Werkstätten bieten Schnupperpraktika (4 - 6 Wochen) an, versuch es einfach mal. Allerdings solltest du schon genauere Vorstellungen haben, in welchen Fachbereich du gehen möchtest. Es könnte schwer sein, einen Praktikumsplatz zu finden, wenn man sich bei einem großen Museum bewirbt, welches mehrere Abteilungen hat (obwohl es mit meiner allgemeinen Bewerbung beim BNM auch geklappt hat).
Eine Doppeltätigkeit ist durchaus denkbar und vielleicht auch ratsam, aber du solltest einfach darauf reagieren wie sich deine Zukunft gestaltet. Das hast du ja leider (oder zum Glück?) nicht in der Hand.

Die Wahl des Fachbereichs solltest du nicht an der "Jobsicherheit" festmachen, Garantien gibt es nicht. Es hängt immer von deinem Können, deiner Persönlichkeit und deiner Flexibilität ab, ob du eine Arbeit bekommst oder nicht. Natürlich kannst du eine Richtung einschlagen, die sich mit einem Handwerk kombinieren lässt, auf jeden Fall.

Vorbereiten kannst du dich in dem du Fachliteratur liest (häufig anzutreffen in großen Stadtbibliotheken oder als Studentin auch per Fernleihe an deine Uni-Stammbibliothek möglich), auf Ausstellungen gehst, Werkstätten am "Tag der offenen Tür" besuchst, dich aktiv an denkmalpflegerischen Projekten in deiner Umgebung beteiligst, zur Studienberatung verschiedener Hochschulen und Akademien gehst und dich dort auch mit den Studenten sprichst. Und ganz wichtig: Dich im Umgang mit Werkzeugen und Materialien üben. Malen, zeichnen, basteln, reparieren. Alles hilft dir, Probleme vor die du gestellt wirst kreativ mit geeigneten Mitteln und dem nötigen Wissen anzugehen oder neue ansätze zur Problemlösung zu finden.

Ich denke in Deutschland gibt es keine Hochschule mit "dem größten Ansehen", keine Harvard University für Restaurierung. Jede Hochschule hat ihre Spezialisierung, viele arbeiten übergreifend zusammen. Die Wahl der Hochschule hängt von deinen Präferenzen, was du lernen möchtest, und der Wahl deines Fachgebiets ab.
Kleines Beispiel:
Für mich waren mehrere Faktoren ausschlaggebend. Fachlich ist die Ausbildung an der TU München sehr stark wissenschaftlich und museal geprägt, es werden (fast) alle Fachrichtungen global gelehrt (d.h. ich muss mit meinem Fachbereich Metall auch Vorlesungen wie Maltechnik oder Werkstoffkunde Papier besuchen). Es findet eine enge Zusammenarbeit mit den örtlichen Instituten, Museen und Denkmalplfegeämtern statt. Privat war es für mich wichtig in München zu bleiben, da ich hier aufgewachsen bin, meine Freunde habe und mich in München wohl fühle und vor allem verheiratet bin, meine Frau eine Ausbildung in München macht und somit nicht hätte mitziehen könnenund es für mich nicht in Frage kam für mein Studium in eine Fernbeziehung zu konvertieren.

Ein Praktikum in den Werkstätten von Capodimonte ist sicherlich sinnvoll (obwohl diese mir nicht bekannt sind), einfach um dir bei deiner Entscheidungsfindung zu helfen. Im Rahmen von Bewerbungen: Praktika sind nie schlecht.

Ich hoffe dir ein wenig geholfen zu haben. Bei weiteren Fragen: Fire away ;)

Grüße,

Der Alex


giulia c
giulia c
Re: Danke fuer die guten Tipps
20.01.2011 / 16:02    #3

Hallo Alex!
Danke fuer die wertvollen Ratschlaege! 
Ich werde meinen Master - Abschluss machen, und in der Zeit bis dahin werde ich mich konkreter mit dem Thema beschaeftigen. Die muensteraner Uni - Bibliothek ist gut ausgestattet. Ausserdem hat sich mein Freund dazu bereit erklert, mir handwerklich etwas beizubringen (er u.a. Hobbyschmied und Reenactor), waere nicht schlecht neben meiner selbststaendigen Uebeung.  Sollte ich wirklich die Praktikumsstelle in Italien bekommen, wuerde ich nach dem ERASMUS - Semester  noch 6 Monate bleiben.
Mal schauen was ich demnaechst leisten kann ...

Danke nochmal fuer deine Freundlichkeit und di guten Tipps.
Ich wuensche dir noch viiiel Erfolg (hoert sich alles sehr gut an, was du machst!) bei deinem Berfusleben.
Giulia

 







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