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Ein alter und neuer Beruf

Dillstädt (sts). Luther war zehn Monate auf der Wartburg in Eisenach. In dieser Zeit hat er die Bibel ins Deutsche übersetzt und das Tintenfaß so an die Wand geknallt, daß es heute noch zu sehen ist. Rolf Möller aus Dillstädt arbeitete sieben Jahre auf der "Wartburg". Er hat in dieser Zeit zwar kein bedeutendes Buch übersetzt und kein Tintenfaß an die Wand geworfen, sondern: Er hat "lediglich" dazu beigetragen, daß Zeugnisse der Vergangenheit wie Tintenflecken, Gemälde und Fresken heute noch oder wieder erkennbar sind.

 

Rolf Möller ist Restaurator. Seit 26 Jahren hat er sich dieser Kunst mit Leib und Seele verschrieben. Gemeinsam mit Bruder Manfred Möller aus Rohr und Schwager Peter Koch aus Albrechts wirkt er in einer Restauratoren-Gemeinschaft in Sachen Denkmalpflege in nah und fern.

Spezialstrecke des Trios ist die Baurestauration. Sie versetzen mit hoher Kunstfertigkeit Sakral- und Profanbauten, Fassaden, Wandmalereien in ihren ursprünglichen Zustand. Raumausmalungen, historische Ausstattungen, Restauration von Skulpturen und Gemälden und Kopien-Fertigungen gehören ebenso in ihren Tätigkeitsbereich. Gegenwärtig arbeiten sie u.a. für das Schloß Wilhelmsburg in Schmalkalden. Eine Raumkopie ist zu erstellen, sorgfältig sind an den ältesten profanen Wandmalereien -" den Iwein-Bildern im Schmalkalder -Hessenhof-" die auf getretenen Schäden zu beheben bzw. zu begrenzen. Da sind umfangreiche Möglichkeiten zu prüfen, um originale Putzstrukturen sowie die farbliche Erscheinung des Originals so genau wie möglich herauszufinden. Diese Kopie wird im Schloßbereich aufgestellt. Parallel dazu arbeiten die drei Restauratoren im Kassenraum an den originalen Renaissance-Beschlagwerkmalereien. Im weiteren werden von den Brüdern und ihrem Schwager derzeit Restaurationsuntersuchungen durchgeführt im Gebäude des Suhler Amtsgerichtes, im Suhler Sprangenbergergaus, im Bad Liebensteiner Kuppelsaal, im Ponitzer Schloß und in Kirche und Schloß Marisfeld.

Jeder ein Meister

Die Zusammenarbeit der drei Restauratoren -" jeder für sich ein Meister seines Faches -" ermöglicht es, daß sie nicht nur an einem Werk arbeiten, sondern parallel an anderen Objekten beratend oder auch selbst wirksam werden. Zu den kompliziertesten Phasen ihrer Arbeit gehören die sogenannten Befunduntersuchungen, erzählte Rolf Möller. Diese Art Untersuchung führen sie an allen historischen Gebäuden sowohl innen als auch außen durch, um die originalen Farbigkeiten oder Bemalungen wieder ans -Licht- zu bringen, ebenso die verschiedenen Übermalungsphasen, je nachdem welche Geschichte hinter dem Haus steht, zu finden. Nach diesen Erkenntnissen entwickeln sie notwendige Befundsuntersuchungs-Dokumentationen, die Restaurierungsvorschlag einschließlich erforderlicher Technologien beinhalten. Parallel dazu wird die Ausführungsdokumentation in schriftlicher, fotografischer und zeichnerischer Form gefertigt. Woher nimmt ein Restaurator die Sicherheit, daß seine erstellten Dokumentationen die richtigen sind, schließlich gleicht ja kein Objekt dem anderen? Rolf Möller: Zum einen verfügt wohl jeder Restaurator über eine solide und fachlich fundierte Ausbildung, die wir beispielsweise in Potsdam hatten, und zum anderen haben wir ja die Möglichkeit, uns ständig in der Gemeinschaft abzustimmen und zu beraten.

Wartburg untersucht

In einem Zeitraum von zwei Jahren untersuchten sie die gesamte -Wartburg- auf originalen romanischen Bestand, dabei wurden auch romanische Putze unter die Lupe genommen. Von Vorteil war es nach Information von Rolf Möller, daß alle drei aus der Erfahrung heraus einen gewissen Vorlauf hatten und von Romanik bis Neuzeit alles untersuchen können. Auf der Wartburg beschäftigten sie sich zunächst mit Voruntersuchungen im Bereich des Ritter-, des Speisesaales, in der Elisabeth-Kemenate und im Festsaal. In Absprache mit der Denkmalpflege hatten sie dann Restaurierungsvorschläge unterbreitet und erneuerten selbst die beiden Giebelwände des Festsaales. Sämtliche Bauausführungen auf der Wartburg liefen über einen Zeitraum von über sieben Jahren mit unter ihrer Regie.

Dicke Ordner

In wieviel Orten und Objekten Rolf Möller bisher gearbeitet hat, das vermag er auf Anhieb nicht zu sagen. Aber die zahlreichen Ordner mit den Dokumentationen in seinem Arbeitszimmer zeugen vom gewaltigen Umfang all dessen, was die Handschrift der drei Restauratoren trägt. Hinsichtlich des Tätigseins in der näheren Heimat erinnert er sich sofort an den besonderen Außenputz und den neuen Anstrich der Dillstädter Kirche, an Restaurationsarbeiten in der Wichtshäuser, Dietzhäuser und Rohrer Kirche, an Arbeiten in der Suhler Hauptkirche, an Restaurationsarbeiten am Altar und einer Engelfigur in der Winterkirche. Seinen Farbuntersuchungen entsprechend wurde die Suhler Kreuzkirche nach ihrem Originalzustand weiß geputzt. Er restaurierte die Uhr der Suhler Kreuzkirche, vergoldete die Ziffern und bemalte die barocken Eckelemente im Zifferblattbereich. Seine Aufträge führten ihn nach Arnstadt, Mühlhausen, Creuzburg, Zeilfeld, Bad Liebenstein, Meiningen, Erfurt, um nur einige zu nennen. Die Fach- und Sachkenntnis der Dillstädter Restauratorenfamilie war schon zu DDR-Zeiten weit über die Grenzen des damaligen Bezirkes Suhl hinaus bekannt. Im hessischen Weilburg restaurierten sie beispielsweise in den 80er Jahren im dortigen Schloß den Salon der Herzogin und das Pariser Zimmer. In Hessen sprach man sich schon zu dieser Zeit lobend und achtungsvoll über die Restaurationsarbeiten der drei Thüringer aus. Weitere Aufträge aus der BRD gingen im Ergebnis damals an die bekanntgewordenen Dillstädter, aber aus politischen Gründen wurden die Ausführungsarbeiten verhindert.

Von der Pike

Von der Pike auf Rolf Möller hat seinen Beruf, der zur Berufung geworden ist, von der Pike auf erlernt. Nach Abschluß der 10 Klasse ging es in die Maler- Lehre beim Vater im Dillstädter privaten Handwerks-Betrieb. Dann folgte bis 1971 ein Studium an der Potsdamer Fachschule für angewandte Kunst. Möller hatte zu den zehn Glücklichen seines Jahrganges gehört, die von etwa 300 Bewerbern immatrikuliert worden waren. Das erfolgreiche Abschneiden bei Kunstwettbewerben teils mit Preisen bedachte Arbeiten -" waren dafür wohl ausschlaggebend. Nach erfolgreichem Studium -" die Untersuchung und der Restaurierungsvorschlag für den Treppenaufgang der Martin-Luther-Universität in Halle war seine Abschlußarbeit -" führte der Weg zunächst ins Dillstädter Malergeschäft des Vaters zurück. Dort war inzwischen auch der Bruder tätig. Rolf Möller avancierte zum Maler- meister. 1977 wurde er als Kandidat und ein Jahr später als Mitglied im Verband der Restauratoren der DDR aufgenommen. Für jede dieser Etappen war es Voraussetzung, drei Arbeiten zur Begutachtung an den Verbandsvorstand in Berlin einzureichen. All das meisterte er mit Bravour. Seit 1977 kennt man ihn als freischaffenden Künstler.

Wert der Denkmale

Bedenkt man, daß in der ehemaligen DDR etwa 30 bis 40 Baurestauratoren tätig waren und allein drei davon in Dillstädt wirkten, waren sie wohl weit und breit die einzigen in ihrem Fach. Welchen Wert gab man damals der Denkmalpflege? Rolf Möller erinnert sich: An Aufträgen mangelte es nicht. Die Denkmalpflege spielte damals schon eine beachtliche Rolle und wurde umfangreich gefördert. Der Staat stellte genügend Mittel, materielle und finanzielle, zur Verfügung. Nur wurde die Denkmalpflege, die vorrangig die Restaurierung von Kirchen betraf, nicht so populär gemacht. Der Beruf des Restaurators galt schon als etwas Besonderes. Heute können sich schon nach kurzem Lehrgangsbesuch viele Restaurator nennen. Der Baurestaurator habe den wohl breitesten Umfang im Restaurationsbereich zu bewältigen. Dazu gehört die Restaurierung von Wandbildern, Plastiken, größeren Deckenbildern, Mobiliar, Stuckarbeiten, Schnitzereien u.a. Da der gesamte Baukörper mit untersucht werden müsse, zähle auch die Bauarchitektur mit in das zu beachtende Ressort. Was hat sich nun nach der Wende für den seit je Selbständigen geändert? Rolf Möller: An Aufträgen mangelt es nach wie vor nicht. Lediglich die Inhalte haben sich verändert. Die Aufträge sind mit den Denkmalpflegebehörden abgestimmt, jetzt mehr auf Bausicherung und weniger auf Restaurierungsarbeiten gerichtet.

Beruf und Hobby

Beruf, der Berufung ist. Rolf Möller sagt, daß er bei der Arbeit kaum auf die Uhr sieht. Beruf und Hobby sind für ihn eins. In der arg beschnittenen Freizeit malt er oder studiert Fachliteratur. Beispielsweise hat er Bilder für die Suhler Sparkasse, die BAUWI Wichtshausen oder den Kurbereich Bad Liebenstein gemalt. Das Distel-Zeichen des Dillstädter Distelhofes wurde ebenfalls von ihm entworfen. Während er sich früher kaum Urlaub gönnte, ging es nach der Wende auch auf größere Reisen. Eigentlich zur Erholung gedacht, wurden seine Aufenthalte in "gypten, Italien und Frankreich gleichzeitig zu Studienurlauben. Die Familie ist da voll einbezogen, des Vaters Vorbild zieht... Ehefrau Elvira ist voll in die Arbeit integriert. Sie bringt in der heimischen Werkstatt Ausführungsdokumentationen zu Papier. Ehemann Rolf zollt beim Begutachten der Arbeiten ihrer sicheren und ruhigen Hand viel Lob. Tochter Antje lernt beim Vater Maler und ist Bestlehrling im 3. Lehrjahr. Sie und auch ihr Bruder Mathias wollen später Restaurator werden. Und: Auch der Nachwuchs der beiden anderen in der Gemeinschaft Mittuenden hat sich der Restauratoren- Kunst schon verschrieben. Das ist eine tolle Sache, wenn man weiß, daß der Familienbetrieb fortgeführt wird und alle Spaß an der Arbeit haben, sagt Rolf Möller.

Alles interessant

Uninteressantes gibt es nicht für Rolf Möller: In meinem Beruf gibt es keine uninteressanten Arbeiten. Eine einmalige Sache war für uns, als wir im Erfurter Hochzeitshaus unter zig Tapetenschichten eine herrliche, einzigartige Malerei aus der Zeit 1580/1620 fanden. Im oberen Bereich wurden auf Hohlen gemalte einzelne Bilder aus verschiedenen Darstellungsbereichen gefunden. Nach diesem sensationellen Fund in der 2. Hälfte der 80er Jahre wurde der gesamte Raum restauriert und nach der Wende fertiggestellt. Der Restaurator, ein alter und neuer Beruf - so möchte es Rolf Möller verstanden wissen. Als Erfolgs-Geheimnis verriet der Meister: Wir gehen gemeinsam methodisch vor, einer muß sich auf den anderen verlassen können. Wir nutzen beim Anstrich alte Technologien und garantieren damit im Innenbereich lange Haltbarkeit. Wenn sich Malereien über Jahrhunderte erhalten haben, wollen wir sie ebenso lange weiter haltbar machen können. Wir orientieren uns daran, was die "Alten" gemacht haben."

www.freies-wort.de   

Zeitschrift: Freies Wort - Südthüringer Zeitung vom 04.09.1993

Autor / Redaktion: Freies Wort

Herausgeber: Suhler Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Fotos: Mathias Möller, anuvito GmbH

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