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Architektonische Ordnungen

VERGLEICHENDE DARSTELLUNG
DER
ARCHITECTONISCHEN ORDNUNGEN

DER
GRIECHEN UND RÖMER
UND DER
NEUEREN BAUMEISTER


HERAUSGEGEBEN UND GEZEICHNET
VON
Carl Normand
ARCHITECTEN UND EHEMALIGEM PENSIONAIR
AN DER FRANZÖSISCHEN ACADEMIE ZU ROM

ERSTE DEUTSCHE BERICHTIGTE AUSGABE
VON
M.H Jacobi.
KÖNIGL. PREUSS. REGIERUNGS-BAU-CONDUCTEUR

MIT FÜNF UND SECHSZIG KUPFERTAFELN.

POTSDAM, 1830. VERLAG VON FERDINAND RIEGEL.

VORREDE

Durch diese neue vergleichende Darstellung beabsichtigen wir, Künstlern, angehenden Architecten und Dilettanten die genauen Verhältnisse der architectonischen Ordnungen vor Augen zu legen, welche die berühmtesten Denkmähler alter und neuerer Zeit schmücken, und in einem einzigen Bande die Grundsätze dieser Ordnungen zu vereinigen, welche sich zerstreut in einer großen Anzahl seltener und kostbarer Werke vorfinden.

Jeder, der aus Beruf oder nur zur Erholung sich mit den schönen Künsten beschäftigt, weis, bis zu welchem Grade der Vollkommenheit die alten Völker Griechenlands und Italiens es darin gebracht haben. Hier wurde das Talent gehoben durch würdige Begeisterung, genährt durch den Reichthum poetischer Mythen, unterstützt durch ein zartes Gefühl und durch eine Natursicherheit, wie nur solche climatische Verhältnisse, solche bürgerliche Freiheit und solche Sitteneinfalt sie erzeugen konnten; und hier schuf es Meisterwerke, welche bis auf diese Stunde den Künstlern aller Nationen als Urbild gelten müssen. Das griechische Alterthum war es, das besonders durch seine Baukunst der Nachwelt Beweise von Größe und Pracht, von Geschmack, Schicklichkeit und Ueberlegung hinterließ. - Aber Künste und Wissenschaften haben, wie die Völker, glückliche Zeiten des Glanzes, unglückliche Zeiten des Verfalls, der Vergessenheit. Jahrhunderte der Unwissenheit und der Barbarei folgten den blühenden Jahrhunderten eines Perikles, eines Augustus und eines Hadrian, und erst unter der Regierung der Medicäer und Franz I. fanden Gelehrte und Künstler Schutz und Aufmunterung wieder.

Begierig und mit Sorgsamkeit wurden die zerstreuten Lehren menschlichen Wissens gesammelt, welche der Orient uns zuführte. Die Baukunst, Mahlerei und Skulptur erholten sich einigermaßen wieder von ihrem tiefen Zerfall. Die noch vorhandenen Ruinen, die Fragmente antiker Monumente erweckten den Genius eines Palladio, Scamozzi und Vignola, und so bildeten sich an diesen kostbaren Ueberresten Männer, welche berechtigt waren die Bewunderung ihrer Zeitgenossen in Anspruch zu nehmen. Mehrere Baumeister unterschieden die verschiedenen architectonischen Ordnungen und gaben ihnen einen bestimmten Character, und unter diesen war es Jakob Barozzio von Vignola, der sich in gewisser Beziehung am strengsten den schönen Verhältnissen der Alten anschloß.

Die bedeutenden Veränderungen in den Sitten und Gebräuchen der Völker, die ganz neuen Bedürfnisse, denen die Gebäude entsprechen sollten, endlich die jedem Volke eigenthümliche Bauweise, verleiteten jedoch diese großen Meister zu einigen Verirrungen, die sie nicht allein in ihren Bauwerken verewigt haben, sondern die auch in den Schriften und Entwürfen der damaligen Zeit aufbewahrt sind. Diese Fehler sind es, welche ein geläuterter Geschmack seitdem zu berichtigen sich bemüht hat. - Nichts desto weniger hatt Vignola bis auf unsere Zeit, theils durch sein unverkennbares Verdienst, zum Theil auch durch den Einfluß der Gewohnheit, das Recht erlangt, allen welche sich mit der Baukunst beschäftigen, als ausschließlicher Führer zu dienen. Jetzt aber, wo unsere Schulen den herrlichen Grundsätzen des Alterthums folgen, wo sie mit Sinn die mannigfaltigen Schönheiten derselben zergliedern, wo eine lichtvolle Kritik die Erzeugnisse der Kunst besser zu würdigen versteht, jetzt ist man zur Anerkennung gelangt, daß dieser eine Meister, den der Gebrauch geheheiligt hat, uns nicht mehr befriedigt, daß es Noth thut, aus den ungetrübten Quellen zu schöpfen, die er und alle Baumeister dieser Zeit benutzt haben, welche wie er mehr oder weniger von ihren Vorbildern abgewichen sind.

(s4) Es ist unser Zweck, das Vorzüglichste was die Blüthezeit der Baukunst in den architectonischen Ordnungen geleistet hat, die recht eigentlich ihre Zierde ausmachen, mit gewissenhafter Genauigkeit zusammenzustellen, um die Vergleichung der verschiedenen Verhältnisse, welche die berühmtesten Meister angewandt haben, zu erleichtern, und die Bemühungen der Männer zu unterstützen, welche unter den gebildeten Völkern Geschmack und reinen Styl zu verbreiten sich bemühen. Wir haben für jede Ordnung Beläge aus den vorzüglichsten griechischen und römischen Denkmählern gewählt, dieselben erläutert, gezeichnet und selbst gestochen; wir haben zugleich die Schriftsteller angeführt, welche davon gehandelt haben, und es uns zur Pflicht gemacht, alle Irrthümer, welche uns aufgestoßen sind, zu berichtigen. Der Darstellung einer antiken Ordnung haben wir unmittelbar dieselbe Ordnung nach der Angabe neuerer Meister folgen lassen, und unsere Meinung über die verschiedenen Verhältnisse ihrer Säulen, Capitäle, Gebälke u.s.w., über die Wahl und Anordnung der Glieder und ihrer eigenthümlichen Verzierungen abgegeben. Die toskanische Ordnung, mit welcher wir begonnen haben, ist die einzige, wo wir nur den neuern italienischen Baumeistern haben folgen können, in Betracht der sehr geringen Ueberreste, welche bis zu uns gelangt sind.

Unsere Arbeit umfaßt, die Titelplatte mit eingerechnet, fünf und sechszig Kupfertafeln, wovon vier der toskanischen, dreizehn der dorischen, eben so viel der jonischen, sechszehn der korinthischen, sechs der componirten oder römischen Ordnung angehören. Zwei Blätter enthalten Karyatiden, und zehn Blätter sind zu Details bestimmt, unter denen sich mehrere besonders unter einander verglichene Gebälke befinden, verschiedene Methoden die jonischen Schnecken zu winden, die Verjüngung der Säulen und das Verhältniß ihres Gebälks in Bezug auf ihre Hauptdimensionen nach Vitruv's Angabe, Frontons, Thüren und Fenster, sowohl nach antiken Monumenten, als auch nach den neuern Meistern, die Deckenfelder in der untern Ansicht der Architrave bei einigen Monumenten korinthischer Ordnung, und mehrere den verschiedenen Gliedern eigenthümliche Verzierungen. Endlich wird man theils im Text, theils auf den Tafeln, Erklärungen und Bemerkungen finden, welche das Wesentlichste zur genauen Kenntniß der architectonischen Ordnungen umfassen, wie sie sich im Alterthume vorfinden, und wie sie Vitruv, Palladio, Scamozzi, Vignola, Serlio, Alberti, Viala, Philibert-Delorme, Chambrai, Desgodetz, Stuart, Delagardette und andere Schriftsteller angeben. Wenn wir durch getreue Aufstellung aller dieser Verhältnisse den Künstlern einen ihnen immer schätzbaren Zeitgewinn und zugleich die Hauptvortheile der sehr kostbaren Originalwerke verschafft haben, dann ist unsere Absicht, das Fortschreiten der Kunst nach unsern Kräften zu fördern, vollkommen erreicht.

Was die deutsche Herausgabe dieses Werkes betrifft, so liegt ihre nächste Veranlassung im vielfach geäußerten Wunsche, durch ermäßigten Preis und durch deutschen Text, dasselbe allgemeiner verbreitet zu sehen, - denn großen Beifalls hat sich des Herrn Carl Normand Zusammenstellung der architectonischen Ordnungen bei allen Architecten cultivirter Länder zu erfreuen - Beweis genug, daß es seinem Vorwurfe vollkommen entspricht. - Die deutsche Herausgabe hat in der Wahl der Monumente keine Veränderung treffen wollen, einmal, weil die Berechtigung, aus dem Vortrefflichen das Vortrefflichste durch kritische Analyse auszuscheiden, nur den wenigen Koryphäen unseres deutschen Vaterlandes zusteht; anderseits, weil spätere Ergänzungen, ohne die geschichtliche Folge zu zerreißen, einige ungern vermißte griechische Alterthümer nachbringen dürften. - Für jetzt ist der Umfang der französischen Ausgabe ihre Schranke; Concurrenz mit derselben, durch Correctheit und Sauberkeit des Stichs, ihr Streben; Berichtigung, wo es Noth thut, ihre Befriedigung.

Potsdam, Michaelis - Messe 1829.

EINLEITUNG

Um die Vergleichung der verschiedenen Säulenordnungen zu erleichtern, haben wir alle nach einem, gewöhnlich in dreißig Partes eingetheilten Modul aufgetragen. Vignola's Eintheilung des Modul in zwölf Partes ist allen Ordnungen dieses Meisters beigefügt.

Die Säulenordnungen bestehen aus der Säule und ihrem Capitäl, einer Basis, wenn die Ordnung eine hat, und dem Gebälk. Bisweilen stehen die Säulen auf Postamenten oder Säulenstühlen, bisweilen auf einem einfachen Sockel, häufig aber nur auf fortlaufenden Stufen.

Vergleichung der verschiedenen Säulenordnungen

Am häufigsten beträgt die Höhe der Gebälke bei den antiken Ordnungen den vierten Theil der Säulenhöhe; mitunter auch nur den vierten bis fünften Theil. Palladio und Scamozzi geben gewöhnlich ihren Gebälken den fünften Theil der Säule zur Höhe, Vignola aber immer den vierten Theil. Die Regeln, welche Vitruv über die Verhältnisse der verschiedenen Ordnungen bei verschiedenen Säulenhöhen aufstellt, finden sich auf Taf. 59. erläutert.

Ein Gebälk ist vollständig, wenn es aus dem Kranzgesimse, dem Fries und dem Architrav besteht. Fehlt der Fries und befinden sich statt dessen ein oder mehrere Streifen unter dem Kranz, so heißt er ein architravirter Kranz, wie am Tempel des Pandrosus 1), und einfacher Kranz oder Gesims, wenn diese beiden Theile fehlen.

Die Zwischenweiten, sowohl für einfache Säulenstellungen, als auch für Bogenstellungen oder Arcaden, mit und ohne Postamenten, sind für jede Ordnung in einem kleinem Maaßstabe angegeben, so wie auch der Abstand der Unterkante des Architravs von der Unterkante des Schlulssteins. Hieraus und aus der gegebenen Höhe der Säulen, der Form und dem Verhältniß des Postaments des Kämpfers und der Bogeneinfassung, welche für jede Ordnung auf demselben Blatte zusammengestellt sind 2), läßt sich alles übrige leicht finden. Die Eintheilung der Triglyphen richtet sich immer nach der Entfernung der Säulenaxen, unter der Bedingung, daß die Metopen Quadrate bilden. Das letztere haben indessen nur die neuern Meister streng beobachtet, so wie sie auch bei allen folgenden Ordnungen, wo Sparrenköpfe angebracht sind, die Eintheilung derselben genau nach den Säulenaxen richteten. Die Alten haben auch bei den übrigen Verzierungen selten Rücksicht hierauf genommen.

Für die Säulenstellungen bei den antiken Ordnungen haben wir ein mittleres Maaß aus den ungleichen Entfernungen gewählt, die vielleicht durch einen Fehler beim Versetzen entstanden sind. Die Entfernungen sind gewöhnlich nach den Säulenmitteln bestimmt.

Auch ist der Durchmesser der Säulen in Fußen nach französischem Maaße angegeben, um die Vergleichung erleichtern, ein bestimmtes Verhältniß feststellen und den Effect beurtheilen zu können.

Verschiedene Säulenordnungen

Kleine Unterabtheilungen von sechstel, achtel oder zwölftel Partes, haben wir in diesem Werke bei Berechnung der Verhältnisse bisweilen ausgelassen, weil sie häufig nur lästig sind und der gesammten Anordnung durchaus nicht schaden 3); denn da die meisten Monumente großentheils nur noch als Ruinen vorhanden sind, so würde z. B. dasselbe Glied an einer andern Stelle gemessen, oft größere Unterschiede darbieten, als diese kleinen Bruchtheile betragen. Aber wir haben immer die größte Sorgfalt auf die genaue Eintheilung der Hauptmassen verwandt.

Noch müssen wir bemerken, daß zur Vereinfachung der Figuren, namentlich bei der korinthischen und componirten Ordnung, und zum Verständniß der eingeschriebenen Zahlen, der Durchschnitt des Capitäls auf eine aus länglichten Strichen bestehende gerade Linie bezogen ist, welche auf den obern Durchmesser des Säulenschafts unter dem Astragal herabfällt. Die Ausladung der Blätter und der Schnecken oder Voluten 4) ist von dieser Linie an gerechnet. Bei den Gebälken ist von dem am meisten ausladenden Gliede des Kranzes ein Loth herabgefällt, von wo aus die Maaße abgenommen werden, um die Profile zu bilden. Die ganze Ausladung aber, so wie der Fries und die Ansicht des Architravs über dem Capitäl, ist von der Säulenaxe aus bestimmt.

Um die Vergleichung der verschiedenen Säulenordnungen zu erleichtern, haben wir alle nach einem, gewöhnlich in dreißig Partes eingetheilten Modul aufgetragen. Vignola's Eintheilung des Modul in zwölf Partes ist allen Ordnungen dieses Meisters beigefügt.

1) Siehe Tafel 55.

2) Die Kämpfer und Bogeneinfassungen der dorischen, jonischen, korinthischen und römischen Ordnungen nach Scamozzi befinden sich auf den Blättern 17, 30 und 48.

3) Es findet sich bisweilen, daß die kleineren Eintheilungen nicht mit den beigeschriebenen Maaßen übereinstimmen, dieses ist kein Irrthum, sondern öfters nur der größern Deutlichkeit der Zahlen wegen geschehen.

4) Da die meisten antiken Capitäle, besonders an ihren vorspringenden Schnecken und Blättern, sehr verstümmelt sind, so haben wir sie durch Vergleichung der noch erhaltenen Theile mit dem, was von der Schweifung ihrer Blätter und von den Umrissen der Schnecken bei ihrer Vereinigung mit der Deckplatte noch übrig war, ergänzen müssen, und die ganze Ansicht dieser Capitäle wird hinlänglich zeigen, wie wir uns hierbei bemüht haben, der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen.

ERKLÄRUNG DER GLIEDER

Die Glieder sind nach ihrer Bestimmung größer oder kleiner. Zu den größeren kann man den Rinn- oder Glockenleisten, den Viertelstab oder Wulst, die Hohlkehle, den Kehlleisten, den Pfühl und die Einziehung rechnen.

Die kleinern sind der Riemen und das Plättchen, der Ring oder das Stäbchen, der Astragal oder Rundstab und der Ab- und Anlauf. Die kleinern Glieder dienen dazu, die größern zu krönen, sie von einander zu trennen, ihnen mehr Ausladung zu verschaffen und sie besser hervorzuheben.

Bisweilen werden die Hohlkehle, der Viertelstab und der Kehlleisten auch kleiner gemacht, wenn sie die Streifen der Architrave, der Kämpfer und Bogengesimse, der architravirten Thür- und Fenstereinfassungen u.s.w. von einander trennen. Der Rinnleisten oder Karnieß, die hängende Platte oder der Kranzleisten, die Streifen, woran die Zahnschnitte und Modillons oder Dielenköpfe hängen, sind immer größere Glieder, welche durch kleinere gekrönt werden. Eben so der Wulst oder Kropfleisten und die Kehlleiste im Kranzgesims. Der große und kleine Pfühl und die Einziehung oder umgestürzte Hohlkehle kommen gewöhnlich nur bei den Säulenfüßen vor und sind immer durch Reifen oder Riemchen von einander getrennt.

Wir haben bei allen Ordnungen des Vignola die Glieder mit Buchstaben bezeichnet, die im Text erklärt sind; hierdurch wird man die Namen der verschiedenen Glieder am besten kennen lernen.

Die Titelplatte ist zur Vergleichung der Karyatiden vom Pandrosium und vom Antikensaale im Louvre benutzt worden. Sie sind mit einem Rahmen umgeben, dessen Füllungen mehrere aus der Antike entlehnte Architrav-Soffitten und andere sehr brauchbare architectonische Verzierungen enthalten.

DIE TOSKANISCHE ORDNUNG

Mit der toskanischen, als der einfachsten der fünf Säulenordnungen, beginnen die Zöglinge gewöhnlich das Studium der Architectur, und deshalb steht sie auch hier an der Spitze dieses Werkes. Der Name dieser Ordnung bezeichnet hinlänglich ihren toskanischen Ursprung.

*) Man findet ihre regelmäßigen Verhältnisse nur von vier neuern Meistern, nämlich von Palladio, Scamozzi, Serlio und Vignola angegeben, aber keiner dieser berühmten Architecten scheint ein noch vollständig erhaltenes Denkmal dieser Ordnung unter den andern antiken Ueberresten gefunden zu haben. Nur Palladio behauptet 1), in den Amphitheatern zu Verona und zu Pola in Istrien Fragmente davon entdeckt zu haben 2).

Vergleichung der verschiedenen Säulenordnungen

TOSKANISCHE ORDNUNG VON PALLADIO.

TAFEL I

Andreas Palladio giebt zwei verschiedene Profile, sowohl für das Capitäl, als auch für die Basis der toskanischen Ordnung, an. In den Verhältnissen der Glieder seines Kranzes findet sich eine zu große Gleichförmigkeit, und der Karnieß, welcher die hängende Platte zum Theil unterschneidet, scheint denselben ein wenig zu stumpf zu machen. Es muß jedoch bemerkt werden, daß in der perspectivischen Ansicht 3) vielleicht eine bessere Harmonie hervortritt, als im geometrischen Aufriß.

Vergleichung der verschiedenen Säulenordnungen

TOSKANISCHE ORDNUNG VON SCAMOZZI.

TAFEL II

Vincenz Scamozzi hat sowohl diese, als auch die übrigen Säulenordnungen am reichsten ausgestattet. Er hat die Glieder vervielfältigt und im Fries einen Vorsprung angedeutet, der einige Aehnlichkeit mit einem Triglyphen hat, aber ganz glatt gelassen und nur über jeder Säule angebracht ist. Das Capitäl und die Basis, die er auf verschiedene Weise anordnet, haben gute Verhältnisse; aber die Säule, welche einen halben Durchmesser länger ist und sich um drei Partes mehr verjüngt, als die des Vignola, scheint ein wenig zu mager zu sein. Das Gesims seines Postaments hat im Verhältniß zur Höhe zu wenig Ausladung, und wir glauben, daß wenn man dasselbe um die Höhe der obersten Platte verringerte, ohne die Glieder und das Verhältniss des Postaments sonst zu verändern, ein viel besserer Effect hervorgebracht werden würde.

Vergleichung der verschiedenen Säulenordnungen

*) Die toskanische Bauart stammt von den Etruskern, einer der ältesten Völkerschaften Italiens, die, obgleich hellenischen Ursprungs, sich selhständig auf italischem Boden bis zur Zeit ihrer Unterjochung durch die Römer entwickelt hat. (d. H.)

1) Man sehe diese Ordnung in: der Parallele von Chambray.

2) Dancarville giebt im 2ten Bande auf Taf. 4. ein Fragment der toskanischen Ordnung, welches in den Mauern von Paestum gefunden worden und wonach Palladio und Serlio ihr Capitäl entworfen zu haben scheinen.

3) Das Studium der Perspective ist nothwendig, um den Effect eines Bauwerks vorher beurtheilen zu können. Denn von unten und von einem einzigen Punkte aus gesehen, ist die Wirkung beträchtlich anders, als beim geometrischen Entwurfe. Die Sehstrahlen, welche für alle Punkte, dem einzigen ausgenommen, welcher dem Auge des Zuschauers senkrecht gegenüber liegt, schräg sind, lassen die Dimensionen um so beträchtlicher erscheinen, je näher sie liegen und je schräger sie gesehen werden. Diese Wirkungen finden noch in hinlänglichen Entfernungen Statt.

TOSKANISCHE ORDNUNGEN

Weitere Toskanische Ordnungen von Serlio, von Jacob Barozzio von Vignola und die Benennung der Glieder, welche die Toskanische Ordnung von J.B. von Vignola bilden.

TOSKANISCHE ORDNUNG VON SERLIO.

TAFEL III.

Unter den vier Meistern, welche wir als Muster anführen, hat Serlio die toskanische Ordnung am einfachsten behandelt. Ihr einziger Reichthum besteht in der untern Ansicht des Kranzleistens.
Das Capitäl und die Basis sind damit übereinstimmend gehalten, und es wird dadurch ein sehr guter Gesammteindruck hervorgebracht. Man könnte sie zur Decoration des Innern einer Halle, bei grossen Magazinen, unterirdischen Bauten usw. anwenden.

Anderswo hat Serlio jedoch dem Kranze noch zwei Riemchen hinzugefügt, indem er die Ausladung der hängenden Platte etwas vergrösserte; ferner hat er dem Architav zwei Streifen gegeben, und über demselben noch einen Riemen und einen Viertelstab angebracht. Das Verhältniss der Hauptmassen des Gebälks hat er aber durchaus beibebalten.

TOSKANISCHE ORDNUNG VON JACOB BAROZZIO VON VIGNOLA.

TAFEL IV.

Jacob Barozzio von Vignola scheint seine toskanische Ordnung erfunden zu haben. Die Verhältnisse, die er angiebt, sind am allgemeinsten angenommen worden; wir glauben aber, dass eine geringere Ausladung des Kranzes und des Capitäls charakteristischer gewesen wäre. Die Verjüngung seiner Säulen beginnt erst vom untern Drittel des Schafts, dessen ganze Länge vom Pfühl der Basis bis über den Astragal des Capitäls gerechnet wird. Diese Regel befolgt er bei allen fünf Ordnungen, und die neuern Meister scheinen ihm darin gefolgt zu sein.

Die von Vitruv beschriebene toskanische Ordnung *), welche in der Uebersetzung von Claude Perrault gestochen ist, scheint uns zu abweichend von den gewöhnlichen Constructionen, als dass wir sie hier anführen sollten.

Toskanische Ordnungen

BENENNUNG DER GLIEDER,
WELCHE DIE TOSKANISCHE ORDNUNG VON J. B. VON VIGN0LA BILDEN.

Das Kranzgesims.
A. Viertelstab oder Wulst.
B. Stäbchen.
C. Riemen oder Plättchen.
D. Hängende Platte oder Kranzleisten mit einem Ablauf unter dem Plätchen.
E. Riemen.
F. Kehlleisten.

Der Fries.

G. Fries.

Der Architrav.
H. Band oder Platte.
I. Streifen oder Ansicht.

Das Capitäl.

K. Plättchen.
L. Abacus oder Deckplatte.
M. Wulst oder Echinus.
N. Riemchen oder Reif.
O. Hals.

Die Säule.

P. Astragal.
Q. Sawn oder Gurt.
R. Säulenschaft mit einem Ablauf unter dem Saum.
S. Säulenschaft.
T. Plättchen oder Saum mit dem Schafte durch einen Ablauf verbunden.

Die Basis.

U. Pfühl.
V. Plinte oder Sockel.

Postament oder Säulenstuhl.

X. Plättchen.
Y. Kehlleisten.
Z. Würfel des Postaments.
a. Plättchen.
b. Sockel des Postaments.

Kämpfer und Bogengesims.

c. Platte.
d. Grosser Streifen.
e. Kleiner Streifen.
f. Archivolte oder Bogeneinfassung.

*) Hauptsächlich unterscheidet sich Vitruvs toskanische Ordnung von der der neuern Meister durch die runde Form der Plinte der Basis und, wie Einige meinen, auch des Abacus. Die Verhältnisse des Gebälks lässt er unbestimmt, der Architrav soll sich nach der Höhe des ganzen Gebäudes richten. Der Fries wird durch die schräg abgeschnittenen Deckenbalken gebildet, deren Köpfe verschaalt werden können, macht daher selbst eigentlich einen Theil des Hauptgesimses aus, indem es die darüber gelegte hängende Platte mit dem Rinnleisten unterstützt. (d.H.)

GRIECHISCH - DORISCHE ORDNUNG

Wenn auch Griechenland nicht die Wiege der Baukunst ist, so ist doch in diesem klassischen Lande aller schönen Künste, besonders sie zu der grössten Vollkommenheit gediehen. Unter den griechischen Monumenten hat man die reinsten Muster gesucht und sie auch da nur gefunden. Dorther entnehmen wir also die ersten Beispiele der antiken dorischen Ordnung, welcher wir die römisch-dorische und die hiernach gebildeten Ordnungen der neuern Meister folgen lassen.

Griechisch-Dorische Ordnung

VOM PARTHENON ZU ATHEN.

TAFEL V.

Wir beginnen mit dem Parthenon zu Athen, das von allen griechischen Tempeln, wegen der Schönheit des Ganzen und der Reinheit der einzelnen Theile, am meisten geschätzt wird. Man glaubt, dass es unter Perikles, einige Jahre nach dem Tempel des Theseus, erbaut wurde, und dass dieser dem berühmten Iktinus und dem Bildhauer Kallikrates, welche das Parthenon erbauten, zum Vorbild diente. Die Grundfläche dieses Tempels ist ein Rechteck mit acht Säulen auf beiden Fronten und mit siebzehn Säulen (wenn man die Ecksäulen doppelt rechnet) auf den Seiten, welche eine Halle ringsum bilden. Das von diesen Säulen getragene Gebälk hat auf den Giebeln Frontons, deren Spitzen den Forst des Daches bilden, das diese bewundernswürdige, kräftige und zugleich leichte Masse bedeckt. *)

*) Es muss bemerkt werden, dass im Original das leichte Schnitzwerk der drei untersten Glieder, bestehend in einem Eier- und einem Perlenstabe von Herrn Normand weggelassen worden, vielleicht weil er dieses für Anten dorischer Ordnung nicht passend hielt. Im Allgemeinen möchte dieses wohl der Fall sein. Hier aber scheint der Perlenstab unter den Dielenköpfen im Gebälk zugleich eine Berechtigung des Antencapitäls zu einigem Schmuck anzudeuten; deshalb haben wir hier dasselbe nach den Quellen berichtigt.

VOM TEMPEL DES THESEUS ZU ATHEN.

TAFEL VI.

Obgleich der Tempel des Theseus kleiner als das Parthenon ist, so verdient er doch in gleichem Maaße die Aufmerksamkeit der Baumeister. Seine Verhältnisse sind so vollkommen, der Gesammteindruck so befriedigend, dass beide Tempel I) zusammen unter allen vorhandenen Monumenten die besten Muster dieser Ordnung darbieten. Man kann hier bemerken, dass die Dielenköpfe über den Triglyphen und Metopen viel stärker sind, als die im Kranze des Parthenon. Dieser Tempel hat sechs Säulen auf den Giebeln und dreizehn auf den Seiten, welche gleichfalls ringsum eine Halle bilden.

VOM GROSSEN TEMPEL ZU PAESTUM.

TAFEL VII.

Der grosse Tempel zu Paestum zeigt nicht dieselbe Zierlichkeit, wie das Parthenon und der Theseus-Tempel. Er scheint der Kindheit der Kunst oder vielmehr der Zeit anzugehören, wo sie schon in Verfall gerieth. Die kurzen Säulen mit weit ausladenden und verhältnissmäßig niedrigen Capitälen scheinen erdrückt unter der Last des Gebälks, bei dem man ungern die Bekrönung der hängenden Platte entbehrt. Aber dennoch ist der Gesammteindruck dieses Gebäudes sehr imposant 2).

Vergleicht man dieses Monument mit den beiden vorhergehenden, die zum wenigsten in den einzelnen Theilen weit vorzüglicher sind, so begreift man nicht, warum der Name Paestum im Allgemeinen zur Bezeichnung dieser Ordnung gebraucht wird, weil man sie mit weit grösserm Recht die griechische oder atheniensische Ordnung nennen könnte. Dieser Tempel hat ebenfalls sechs Säulen vorn und vierzehn auf der Seite, welche, wie bei den erwähnten Tempeln, ringsum eine Halle bilden 3).

Man findet in Sicilien noch andere Ueberreste von Tempeln, deren Säulen einen noch grössern Durchmesser haben, als die Säulen von Paestum, die man schon colossal nennen kann; aber diese Tempel imponiren nur durch ihre Masse, ohne etwas besonderes zu haben, das der Kunst einigen Nutzen gewähren könnte.

1) Die Beschreibung dieser beiden Tempel und das Historische darüber findet man in der Uebersetzung des Stuart'schen Werks durch Herrn Landon; im 2ten Bande 1sten Capitel, Seite 39., Taf. 16., den Tempel des Theseus, und im 3ten Bande 1sten Capitel, Seite 15., Tafel 6., das Parthenon.

2) Wir haben diese Platte nach den Details gestochen, welche Delagardette von diesem Tempel mit allem Geschmack giebt, den er sich durch die Bewunderung der alten Monumente Grossgriechenlands angebildet hatte. Er hatte die Absicht, durch das ganze Königreich Neapel seine Untersuchungen zu verfolgen, und seine ausserordentliche Genauigkeit lässt es um so mehr bedauern, dass Umstände die Ausführung dieses Vorhabens verhindert haben.

3) Es ist zu bemerken, dass die Ecksäulen dieses Monuments etwas stärker sind als die übrigen, und dass die letzte Säulenweite um ungefähr drei Viertel Modul geringer ist.

Vitruv giebt im 3ten Buche, Taf. 20., die Regel, dass bei diesen Tempeln die Ecksäulen nicht lothrecht stehen, sondern gegen die Wände des Tempels um so viel geneigt sein sollen, als die Verjüngung der Säulen beträgt. Bei den angeführten drei Tempeln ist jedoch hiervon nichts zu bemerken, und diese Regel scheint nur auf einer besondern Ansicht Vitruv's zu beruhen *).

*) Vitruv verlangt, dass man die Ecksäulen um den fünfzigsten Theil stärker machen solle, als die übrigen, weil sie sich schärfer gegen die Luft abschneiden und also schwächer erscheinen. Bei vielen Monumenten findet man diese Regel beobachtet. Ferner will er diese Ecksäulen sowohl, als auch die übrigen, die in einer Flucht mit ihnen auf den Seiten des Tempels stehen, so gegen die Zellenmauern neigen, dass ihre Hinterseite senkrecht steht, und dass die ganze Verjüngung sich auf der äussern Seite befindet, so dass also die Axe um den Winkel der Verjüngung geneigt ist. Die mannichfaltigen Schwierigkeiten und Constructionswidrigkeiten, worin man durch eine solche Anordnung gerathen würde, sucht Hirt in seiner "Baukunst nach den Grundsätzen der Alten," Seite 57. u.s.w., zu beseitigen. Aus dem Alterthume ist mir nur ein Beispiel bekannt, wo die Säulen nach Vitruvs Angabe gestellt sind, und das ist der runde Tempel der Vesta zu Tivoli.

Dass aber eine solche Stellung wirklich constructionswidrig sei, geht aus Desgo- Worten hervor, der diesen Tempel im 1sten Bande seiner "römischen Alterthümer," Seite 42., beschreibt, indem er sagt: Some of the columns do indeed stand plumb, but it is probable, they have been set upright by the ruins.

Es haben also einige Säulen ihren lothrechten Stand durch den Verfall wieder vindicirt. Im Allgemeinen lässt sich es nie rechtfertigen, wenn man dem Naturgemässen in der Baukunst optischer Täuschung zu Gefallen Gewalt anthut, aber Vitruv scheint dergleichen zu lieben. (d.H.)




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