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Turm in Löbau

Semesterarbeit
FH Anhalt

Der gusseiserne Turm in Löbau

Der gusseiserne Turm in Löbau
Wilma Rambow
Wiedebachstr. 02
04277 Leipzig
Masterstudiengang Denkmalpflege
Semester: 2
Betreuender Hochschullehrer: Prof. K. Kozel

Dieses Bild basiert auf dem Turm-Bild aus der freien Enzyklopädie Wikipedia
und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist Peter Emrich.

Geschichtlicher Hintergrund - Die Idee vom Turm in Löbau

Die Errichtung eines Aussichtsturmes auf dem nahe der Lausitzer Kleinstadt Löbau gelegenen Berg ist das Ergebnis bürgerlicher Initiative gewesen. Am Anfang soll es das schlichte Vermissen einer Lokalität, eines Ziel- und Aussichtsortes auf dem Löbauer Berg gewesen sein, was erstmals ein Bürger der Stadt nach einer Wanderung 1850 bemerkt und als Diskussionsgegenstand publik macht.

Der gusseiserne Turm in Löbau - von Peter Emrich

Die anfängliche Idee wird erst wieder 1853aufgegriffen. Inzwischen bildete sich eine Interessengemeinschaft von Bürgern, die ihr Anliegen im Stadtrat vorbrachte. Ein Bäckermeister der Stadt, Friedrich August Bretschneider übernimmt kurzerhand die Verantwortung für das Projekt, d.h. er erklärt, dass er die Finanzierung der Errichtung eines Aussichtsturmes finanzieren wird. Für heutige Bergriffe ein individualistisches, utopisches Unterfangen, was die Aura einer Selbstüberschätzung um sich trägt. Dem Zeitgeist entsprechend, ist diese Entscheidung jedoch als tugendhaft- bürgerliches Engagement höchster Güte zu deuten, die u. a. auch Dinge wie die Liebe zur heimatlichen Natur, Förderung des Ansehens seiner angestammten Region usw. implizierte. Von Bretschneider soll der Ausspruch ,Je weiter der Blick- desto freier das Herz-Ü stammen, was das Ansinnen einer solchen Tat erklären kann. Bretschneider kommt in Besitz des städtischen Grundes- er ist bis 15 Jahre nach dessen Errichtung Besitzer von Grundstück und Turm- so die vertraglichen Festsetzungen zwischen ihm und der Stadt.
Vermutlich ließ auch die Errichtung eines steinernen Aussichtsturmes im Jahre 1850 in einem nahe gelegenen Ort die Löbauer Bürger neidvoll nach einem ähnlichen Projekt streben.Ein wichtiger Grund, warum gerade in dieser Region ein Turm aus Gusseisen errichtet wurde, war die traditionelle Vielzahl von Gießereien in der Gegend der Lausitz und benachbartem Erzgebirge. Dies rührte nicht zuletzt aus den ansässigen Erzvorkommen her. Die Region war ein Zentrum des Gießereihandwerks. Entsprechende Qualität durch erfahrene Fachleute, Handwerker und Metallgestalter war von hiesigen Giessereien zu erwarten. Die ebenfalls in der Lausitz gelegene Gießerei Lauchhammer gilt als erste Kunstgießerei in deutschem Raum.

Baugeschichte

Bauzeitliche Quellen sind leider keine vorhanden. Weder das örtliche Stadtarchiv, das Bauamt Löbaus oder aber die noch existierende Gießerei in Bernsdorf sind in Besitz von Konstruktionszeichnungen, bzw. schriftlichen vermerken zum Bau. Bis in die 60er Jahre müssen verschiedene Holzmodelle vorhanden gewesen sein, deren Verbleib jedoch nicht geklärt ist. (1)

Das Eisenhüttenwerk Bernsdorf lieferte 1853 die Zeichnungen. Ob es verschiedene Entwürfe gegeben hat, wer inwieweit auf gestalterische Aspekte Einfluss nahm, ist fraglich. Anzunehmen ist jedoch aufgrund der Vorgeschichte, dass sowohl Bretschneider als Bauherr, als auch die interessierte Bürgerschaft es sich nicht nehmen ließ, gemeinsam mit den konstruierenden Fachkräften am Entwurf zu arbeiten. Als Gestalter in den Bereichen Bildhauerei und Modelleur der Einzelformen wird C.W. Marquart genannt. Baumeister war Carl Gottlieb Lippert. Aktenkundlich belegt ist, dass Marquart 1853 mit dem Bau von Modellen beginnt.
Im Januar 1854 beginnen die Abholzungsarbeiten des voll bewaldeten Berges. Eine der bautechnischen hochwertigen Vorleistungen eines solchen Vorhabens war die Errichtung eines Holzgerüstes aus ca. 80 Kubikmetern Holz.
Einen Monat später gibt König Friedrich August von Sachsen die Zustimmung, dass der Turm seinen Namen tragen möge.
Am 18. 05. 1854 erfolgt die eigentliche Grundsteinlegung mit dem Einsetzen des Grundankers. Im Folgemonat wird begonnen, den vorgefertigten Turm aufzusetzen, Stockwerk für Stockwerk. Vor dem Hüttenwerk in Bernsdorf wurde der Turm bereits vorher einmal zur Probe aufgebaut. Die gesamte Montage der ca. 1000 Einzelteile von etwa 70 Tonne Gesamtgewicht vor Ort dauerte lediglich zwei Monate.
Die feierliche Einweihung fand am 09. 09. 1854 statt. Allerdings war diese vom Ereignis des kurz vorher in Tirol zu Tode gekommenen sächsischen Königs, dessen Name der Turm trägt, überschattet worden.

(1) Nach Aussage des derzeitigen Geschäftsführers der Gießereimaschinenbau GmbH Bernsdorf.

Baubeschreibung / Konstruktion und statisches System

Der Grundriss des Außenbaus des Turmes ist ein Oktogon von vier Metern im Durchmesser. Die äußeren Eckpunkte bestehen aus acht Säulen, die aus jeweils drei- Meter- Stücken zusammengesetzt sind. In deren Nuten sind die einzelnen Plattenwände eingeschoben und verbleit. Die Platten sind teils mit Inschriften, Wappen, Medaillons in Porträtform und farbigen, vergoldeten Fassungen versehen.

Diese äußere Konstruktion des Oktogon, zusammen mit den Ringankern in jeder Etage, den Zugstabausfachungen, welche die Innenstützen verbinden, einschließlich der Druckbögen zwischen den Innenstützen und die drei Plattformen bilden das statische Hauptsystem der Konstruktion. Vertikallasten, Horizontallasten, einschließlich der Stabilisierungslasten werden durch diese System abgeleitet. Nur die Außenstützen sind durch Zugstangen im 8 Meter tief gegründeten Fundament verankert. Der Querschnitt des gesamten Turms wird mittels der Druckbögen und der Zugstabausfachung zwischen innen- und Außenbau fixiert. Die Plattformbeläge, Geländerholme und Ringanker fungieren lastübertragend und stabilisierend.
Im Innern befindet sich die gewendelte Treppe von 120 Stufen. Die Säulen der Treppenkonstruktion sind mit den äußeren Säulen verstrebt und verankert. Der gesamte Treppenturm ist aus Einzelteilen zusammengesteckt. Die Vertikallasten aus der Treppe und dem Turmaufbau einschließlich der Anteile der oberen Plattformlasten werden durch das Treppensystem abgeleitet.
Die Dachkonstruktion, welche die obere Plattform bekrönt ist ebenfalls aus zwei miteinander verstrebten Oktogonen gebildet. Diese flach ansteigende Dachhaube ist mit Holz beplankt.
Die Elemente der drei Aussichtsplattformen sind aus Einzelstücken gefertigt und ebenfalls im Steckzaunprinzip miteinander und der übrigen Konstruktion verbunden. Die gesamte Höhe des Turmes beträgt 28 Meter. Drei Aussichtsplattformen in den Höhen 12, 18 und 24 Metern sind von der Spindeltreppe aus zu erreichen.
Mit großer Wahrscheinlichkeit kannten Konstrukteure und Erbauer das drei Jahre vorher bei der Weltausstellung in London von Paxton errichtete Konstruktionssystem des Kristallpalastes. Hier wurde solch ein Stecksystem aus Gusselementen erstmalig in dieser Größenordnung realisiert.

Die Gestaltung des Turmes- Material und Ästhetik

Über die Erscheinung des Turmes, sein Dekor und dessen Wirkung ist bereits viel gesprochen und beschrieben worden. Im Rahmen der Feier zur Wiedereröffnung nach den Restaurierungsmaßnahmen von 1993/ 94 Prof. äußerte sich Dr. Martin Sperlich, Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin hierzu wie folgt:

"...der Turm will neugotisch erscheinen, freilich aber assoziieren Stockwerkeinteilung und drei Emporen chinesische und orientalische Eindrücke, und das Detail weist eine Erinnerungen an gotische Formen ab...es kann kein Zweifel bestehen, dass den Entwerfern und Modelleuren des Löbauer Turmes der Kristallpalast in London... genau bekannt und dass ihnen auch der vielfach in Europa adaptierte maurische Stil vertraut war." (2)

Der optische Eindruck des Turmes ist dominiert von der netzartigen Struktur. Bis auf die untere Sockelzone besteht die Konstruktion sämtlich aus filigran gestalteten, ornamentierten Gussteilen. Die äußeren Wandplatten, die Stufenelemente, Druckbögen und die Geländerplatten sind hierbei als durchbrochene, nicht vollflächig gestaltete Bauteile gefertigt. Aber auch die Elemente aus Vollguss wie die Kapitelle der Säulen werden mit reichlich Ornament versehen. Es sind überwiegend florale Motive, welche symmetrisch aufgebaut sind.
Der Grundgedanke der Konstruktion von der scheinbar endlos möglichen Vervielfältigung der Einzelteile wird auch auf das Ornament angewandt. Jedes Einzelelement erhält sein jeweiliges kleinteiliges Dekor, was pro Bauteil mehrfach multipliziert wird. Somit erzeugt das Ornament den Gesamteindruck einer klaren Rasterung.
Einzig in der Gestaltung der Sockelzone und der Medaillons bzw. Wappen wird von diesem Grundschema abgewichen. Die Inschriftentafeln sind vom Aufbau her gleich gestaltet, stellen aber in ihren jeweiligen Texten und Zierformen ganz individuell alle wichtigen Informationen und historischen Fakten in Kürze zusammen.
Die positive Eigenschaft der Reproduzierbarkeit identischer Teile wird hier ganz bewusst demonstriert. Es ist die Zeit beginnender Industrialisierung in Deutschland, der Mechanisierung von Herstellungsprozessen bei der Metallverarbeitung. In dieser frühen Zeit der Montagebautechnik in Gusseisen kann jedoch noch nicht von serieller Produktion im Sinne katalogmäßig zu bestellender Systeme gesprochen werden. Es handelte sich hier noch um nicht genormte Bauteile, die für das jeweilige Objekt individuell entworfen und gefertigt wurden. In der Herstellungspraxis und Konstruktionsmethode kann aber die Errichtung des Löbauer Turmes als Vorläufer späterer industriemäßiger Produktionsmethoden gelten.
Zur Ikonographie der einzelnen Stilformen und des Bautypus ist der Turm ein Kind seiner Zeit. Die oktogonale Grundform mit Plattformen findet sich im übrigens zu jener Zeit als sehr beliebten Genre des Baus von Aussichtstürmen häufig. Die Verwendung des modernen Materials und Konstruktionsweise macht ihn jedoch zu einem außergewöhnlichen Exempel seiner Art. In Leichtigkeit und edler Eleganz erscheint er neben seinen Vettern aus massivem Stein, welche durch ihre traditionelle Materialästhetik den Charakter wehrhafter, mittelalterlicher Türme behalten.
Das Dekor setzt sich, wie auch bereits im oben angeführten Zitat benannt, aus einer Vielheit verschiedenster Stilelemente zusammen. Die jeweiligen Formen sind zwar als Rezeptionen unterschiedlicher stilgeschichtlicher Herkunft zurückzuführen, weisen jedoch im Grunde keine Stilreinheit auf, da sie vielmehr der Umsetzbarkeit in der Herstellungstechnik des Giessens geschuldet sind.

(2) Zitiert aus der Einladung zur Wiedereröffnung des Turmes am 09. 09. 1994. Stadtarchiv Löbau.

Das Material Guss - seine Herstellung, Geschichte und Bedeutung

Aufgrund der gießereitechnischen Neuerung des Ersetzens von Holkohle durch Steinkohle war um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine Optimierung der Produktion von Gussteilen möglich. Guss fand zuerst nur im industriellen Bauen Anwendung.

Mit Paxtons Kristallpalast und dem dafür entwickelten Stecksystem bekommt die Verwendung von vorgefertigten Gussteilen und die Vervielfältigung und leichter Zusammenbau eine ganz neue, moderne Qualität, auch was die Übernahme dieser Neuerungen in das nichtindustrielle Bauen betrifft. Gusseisen wird auch im nichtindustriellen Bauen salonfähig und immer häufiger in öffentlichen Bauten, auch Kirchen eingesetzt, obgleich in diesen Bereichen seine Bedeutung dem Industriebau weit zurückstand. Der gusseiserne Turm stellt sich in die Reihe der wenigen nichtindustriellen gusseisernen Bauwerke um die Mitte des 19. Jahrhunderts, wie z.B. zwei Pavillons der Stuttgarter Wilhelma, einer gusseisernen Treppe im Schloß Schwerin- Treppe aus Guss und der Stützen des Schinkel- Schülers Stüler im Neuen Museum in Berlin.
Die Gussformen waren um die Mitte des 19. Jahrhunderts aus Holz oder Stahl gefertigt als Kasten mit Deckel, oder aber die Modelle wurden zum späteren Gießen in Formsand gepresst. Dies ermöglichte die Reproduzierbarkeit einzelner Bauteile in großen Stückzahlen. Hohle Formen wurden durch das Einlegen von Stählen, die mit Lehm um wickelt waren, gefertigt.
Die frühen Gusstechniken implizierten große Differenzen in der Materialqualität durch unterschiedliches Rohmaterial, variierende Schmelztemperaturen, Lufteinschlüsse u.s.w. Als nachteilige Eigenschaft erwies sich auch die geringe Beanspruchung, was Zug- und Biegebelastungen betrifft.

Die Gießerei / Materialkenntnis im 19. Jh.

Das 1788 gegründete Eisenwerk mit Eisenhammer und Schmelzofen zum Verhütten des lokalen Raseneisensteins im Lausitzer Örtchen Bernsdorf wird mit dem Guss des Löbauer Turmes beauftragt.
Die ursprünglichen Gießereigebäude der "Gießereimaschinenbau GmbH" bestehen heute nicht mehr, sie wurden in den frühen 90ern neu errichtet.

Die Lausitz zählt für die Metallgewinnung zu den traditionellen Regionen Deutschland. Eine Vielzahl an Gießereibetrieben entstand hier besonders im 19. Jahrhundert. Das liegt nicht zuletzt an den örtlichen Erzvorkommen. Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde hier noch viel Metall aus dem regionalen Raseneisenstein gegossen. Um 1850 wird jedoch bereits auch hier Erz als Rohstoff für die Metallgewinnung genutzt worden sein. Der aus Raseneisenstein erzeugte Guss wird in seiner Qualität den Ansprüchen an Materialeigenschaften, den Funktionen, denen Gusselemente nun zukamen, nicht mehr genügt haben. (3) Wenn man auch in dieser Region in der Metallherstellung konkurrenzfähig sein wollte, musste man sich den allgemeinen Entwicklungen in der Metallbranche in Deutschland anpassen. Bereits Anfang der 1850er Jahre produziert z. B. Firma Krupp hochwertige Eisenprodukte.

Materialkenntnis im 19. Jh.

Das bauphysikalische Verhalten des Materials wurde erst im 19. Jahrhundert beginnend erforscht. Eine erste schriftliche Konstruktionsmethode für Guss wurde von Barge 1800 erstellt. Biegeversuche und Tests zur Zugfestigkeit wurden um 1830 durchgeführt. (4)
Auch Kenntnisse über die Geschwindigkeit der Abkühlung und deren Auswirkung auf das physikalische Verhalten waren noch im Anfangsstadium der Verbreitung. Somit ist auch der Entwurf und die gelungene Errichtung des Turmes in Löbau als bautechnisch und bauphysikalisch bestandenes Experiment der Zeit zu deuten.


(3) Diese Annahme bestätigte sich auch in Gespräch mit dem Geschäftsführer der Gießereimaschinen GmbH
(4) Alex, Jörg. S. 9.

Restaurierungsgeschichte

Erste Sanierungsmaßnahmen erfolgten bereits wenige Jahre nach Errichtung des Turmes, als 1889 die Vergoldung und der Anstrich erneuert wurden.
Im August des Jahres 1952 wurden Entrostungs- und Anstricharbeiten durchgeführt.

1964 erfolgten erstmalig Sanierungsmaßnahmen, die über die Oberflächenbearbeitung hinausgingen. Es wurden ca. 300 Teile neu gegossen und ausgewechselt. Anstrich und Vergoldung wurden hier ebenfalls wieder erneuert.
Im Jahre 1985 erhielt der Turm aus statischen Gründen Stahlbandagen. Daraus wird bereits der bauliche Zustand des Turmes zu jener Zeit deutlich. Substantiell befand er sich in einem sehr schlechten Erhaltungszustand. Herabfallende Teile, starke Durchrostungen waren die wesentlichen Schadensbilder. Es erfolgte aus sicherheitstechnischen Gründen die Schließung im Jahre 1992. Die bisher umfangreichste Sanierung des Turmes fand in den Jahren 1993/ 94 statt. Die Restaurierung und Sanierung war durch die damals in Leipzig, heute in Berlin ansässige Firma Fach & Werk als Generalunternehmer übernommen worden.
Der gesamte Turm wurde auf der Grundlage des statischen Gutachtens innerhalb acht Wochen abgetragen und wiederaufgebaut- nur auf dieser Art und Weise der Instandsetzung sei eine sichere Sanierung mit folgender Neunutzung möglich, so die mit der Sanierung beauftragten Fachkräfte. Die Sanierungsmaßnahmen dauerten ein Jahr. Die Demontage wurde aufgrund fehlender Bauakten, Konstruktions, bzw. Montagepläne erschwert.

Befund und Schadensanalyse von 1993

Gemeinsam mit Denkmalpflegern und weiterem Fachpersonal wurde entschieden, dass eine umfassende, aussagekräftige Schadensanalyse nur nach vollständiger Entfernung aller aufgebrachten Oberflächenbehandlungen möglich sei. Es wurde sich für ein Abstrahlen der Gussteile mit Korund entschieden.

Die Befundung der Farbschichten ergab einen 10fachen Anstrich unterschiedlichster Substanzen und Farben. Bauzeitlich war der Turm unbehandelt, evtl. aber auch tiefschwarz oder dunkelgrau gefasst und in den Bereichen der Zunftzeichen und Wappen teilvergoldet. Wie es übliche Praxis der Konservierung gegossener Teile zur Bauzeit war, wurde wahrscheinlich auch direkt nach dem Guss Leinöl eingebrannt.
Nach dem Abstrahlen wurden verschiedene Schadbilder offenbar. Zum einen solche, die aus dem Herstellungsprozess, bzw. aus der ursprünglichen Materialqualität herrührten. So hatten viele Gussteile so genannte Lunker, d.h. Hohlräume, die durch Lufteinschluss während des Giessvorgangs entstehen. Großformatige Platten wiesen Risse auf. was ebenfalls auf Materialschwäche schließen lässt.
Das Fundament wurde bis in 1,50 Meter Tiefe freigelegt. Die Untersuchung des Granitfundamentes mitsamt den Ankern der Gründung bestätigte statische Sicherheit, obwohl auch Risse im Fundament festgestellt werden konnten.
Es stellte sich heraus, dass letztlich durch statisch mangelhafte Dimensionierung und Ausführung der Turm unbedingt Korrekturen, bzw. Ertüchtigungen erforderlich waren. Die ursprüngliche Konstruktion war z. B. den anfallenden Windkräften nicht ausreichend gewachsen, was zu schädigenden Bewegungen geführt hatte. So waren u.a. alle Säulen im unteren Bereich gerissen. Grund hierfür war u.a. die nicht ausreichend starr gestaltete Verbindung zwischen äußerem Achteck und der Konstruktion der Treppenspindel. Es sollten neue Verbindungselemente hinzukommen, die nun sowohl innen als auch- wie vorher nicht der Fall, außen verschraubt wurden.
Die Verbindungselemente waren z. T. gebrochen und gerissen. Treppenstufen und Geländer wiesen ebenfalls Risse auf. Auf den Turmebenen gab es starke Rostbildungen an den Verbindungselementen, welche nicht aus Guss gefertigt waren.
Die Reliefplatten, die eigentlich als Windschutz gedacht waren, stellten natürlich optimale Aufnahmeflächen für Windkräfte dar und leiteten diese über in die innen liegende Konstruktion.Der Befundsituation und Schadensanalyse folgend wurde die Erneuerung aller tragenden und statisch wichtigen Teile empfohlen.

Umsetzung des Restaurierungskonzeptes

Als oberste Prämisse des Sanierungsvorhabens galt der Erhalt von Original- Substanz in größtmöglichem Umfang.
Die Anker im Fundament wurden trotz statischer Sicherheit der bauzeitlichen Konstruktion mit einer Stahlbetonmanschette versehen.

Früher wurden Risse durch Zink verfüllt. Diese Methode konnte die Risse jedoch nicht wieder schließen. Aufgrund der Zinkfüllung konnte aber auch nicht Schweißen als Reparaturmethode angewendet werden, da sich das Zink dann wieder komplett verflüssigt hätte. So wurden diese Stellen mit Edelstahlplatten verschraubt und mit Epoxidharz vergossen.
Die Ringanker wurden mit der Sanierung nicht mehr nur innen, sondern zusätzlich auch außen verschraubt, um anfallenden Kräften wie der durch Windkraft besser entgegenwirken zu können.Alle Säulen konnten, bis auf ergänzte Schaftteile im unteren Bereich, wieder verwendet werden, nachdem diese in ihrem hohlen Innern mit Stahlstäben ertüchtigt wurden, um die anfallenden Zugkräfte abzuleiten. Die neu angesetzte Schaftstücke wurden durch Gewinde, welche auch in die alten Schaftteile eingeschnitten worden sind, verschraubt.
Die Fugen der Gussteile wurden teilweise mit elastischem Silikon verfüllt. Die verfüllten Fugen der Ornamentplatten waren durch Einbringen einer Acryldichtschicht zusätzlich gegen Nässe geschützt. Außerdem wurden die Platten zur besseren Verteilung der Windkräfte anders als vorher am gesamten Turm verteilt.
Die Oberflächen der neu gegossenen Teile wurden nach ihrer Fertigung nochmals gestrahlt und konserviert, um ihnen eine nahezu gleiche Oberflächenstruktur wie die der gestrahlten Alt- Elemente zu verleihen. Als Anstrich entschied man sich für einen dreifachen Anstrich, der so genannte dreischichtige Brückenanstrich, wie er von der Deutschen Bahn angewendet wird, aufgebracht auf eine Zinkphosphatgrundierung.
Die Vergoldung und farbliche Fassung der einzelnen Ornamente ist erneuert worden. Dabei wurden die Wappen nun farbig gefasst, was jedoch nicht der ursprünglichen Farbigkeit entsprach, da diese überhaupt nicht farblich abgesetzt waren.
Ab Mitte Mai 1994 begann der Wiederaufbau, so dass genau ein Jahr nach Beginn der Demontage und zum 140. Jubiläum der Turmeinweihung am 09.09. 1994 der Turm wieder eröffnet werden konnte. Trotz der Vielzahl der rekonstruierten Einzelelemente und Ergänzungen konnte ein materieller Substanzerhalt von 80% erreicht werden.

Einschätzung der restauratorischen und denkmalpflegerischen Maßnahmen

Ein Problem des Nachgusses einzelner Teile stellt die Authentizität des Materials dar. Auch wenn die beauftragte Gießerei mit dem Nachguss historischer Gussteile betraut und erfahren war, so ist jedoch die Zusammensetzung, die chemischen und somit physikalischen Eigenschaften des heute gegossenen Metalls von anderer Qualität als das historische Material.

Der vollständige Abbau des Turmes, die teilweise Rekonstruktion durch Neuguss, die statisch bedingten Ertüchtigungsverfahren und der Neuaufbau, stellen kritisch betrachtet Grenzbereiche denkmalpflegerischer Praxis dar. Auch die Entfernung der historischen Oberfläche und deren komplette Wiederherstellung unter Verlust des ursprünglichen Farbeindrucks kann als gravierender Eingriff in das Erscheinungsbild und Wegfall des ursprünglichen Oberflächencharakters bezeichnet werden. Ein weitestgehender Erhalt historischer Substanz wäre sicherlich in bestimmtem Maße möglich gewesen, d.h. auch ohne Ab- und Aufbau. Letztlich wäre sehr wahrscheinlich bei dieser konservatorisch korrekteren Verfahrensweise die Nutzung als Aussichtsturm eingeschränkt, wenn nicht sogar eingebüßt worden. Der Turm wäre vielleicht zum ungenutzten reinen Museumsstück umfunktioniert mit sinkender Attraktivität für Betrachter und Besucher. Meines Erachtens rechtfertigt in diesem Fall das dauerhafte Interesse und die Nutzung des Turmes und somit dessen Würdigung als Baudenkmal die denkmalpflegerisch- restauratorischen Lösungen; auch wenn diese Kompromisslösungen sind. Letztlich kommt bei diesem Objekt der Erhalt des bauzeitlichen Nutzungskonzeptes, Aussichtsturm, Treffpunkt und Ort von Repräsentation zu sein, einem denkmalpflegerisch vertretbarem Konzept näher als es der reine Erhalt der Originals.

Schlusswort

Würdigung als bautechnische Innovation- im Geist der Moderne in Material und Technik. An den Weltbesten Konstruktionen- Paxton- orientiert. In der Materialverwendung auf der Höhe der Zeit. Löbauer Bürger sehr modern.

Wenn man den Turm am Rande der ostsächsischen Kleinstadt Löbau besucht, den steilen Anstieg bis zum Turm hinter sich gelassen hat und zwischen den Bäumen das filigrane Netz des Turmes schemenhaft erkennt, so kann man ein wenig von den Beweggründen der Initiatoren und Erbauer jener Zeit erahnen. Sie haben sich in einer recht abgeschiedenen ländlichen Bergregion eine Vision, einen Traum verwirklicht, der sie mit den modernsten Entwicklungen der Zeit verbindet. Bezeichnender Weise geschieht dies in Form eines Aussichtsturmes. Die Bürger dieser Stadt wollen in die Welt hinaus blicken, den freien Geist, den freien Blick für sich in Anspruch nehmen. Der Bau des Turmes ist natürlich in erster Linie als bautechnische Leistung zu würdigen. Die Geisteshaltung, die einerseits eine tiefe Heimatverbundenheit impliziert, aber eben auch ein tatsächlich weitblickendes, an der Moderne ihrer Zeit interessiertes Moment in sich trägt, wird hier offenbar.
Als eine Meisterleistung der damaligen Gießereitechnik ist die handwerklich präzise Fertigung der Steckverbindungen und deren Passgenauigkeit zu würdigen. Im historischen Kontext betrachtet, war es eine erst sehr wenige Jahre junge Fertigungsmethoden solcher Art. An Vorbildern kann letztlich nur die Konstruktion Paxtons gedient haben.

Quellen, Literatur, Bilder - Turm in Löbau

Nachfolgend ausführliche Informationen zu den Quellen, der verwendeten Literatur und verwendeten Bilder in dem Artikel "Turm in Löbau" von Wilma Rambow.

Quellen


Akten des Stadtarchiv Löbau

Bauamt Stadt Löbau

Fach& Werk GmbH (Hrsg.): Dokumentation der Restaurierung des König- Friedrich- August- Turmes zu Löbau/ Freistaat Sachsen. 1993/1994.

Gespräch mit Herrn Borrmann; Geschäftsführer der Gießereimaschinenbau GmbH Bernsdorf

Gespräch mit Herrn Kühne; Geschäftsführer Kunstgießerei Lauchhammer
 

Literatur


Alex, Jörg: Zur Untersuchung von Materialmodellen für Tragwerke aus historischem Gusseisen. Diss.. Roctock 2003.

Bauen. Wohnen. Freizeit. Zeitschrift. 2. Jahrgang. Heft 5. Okt./Nov. 1994. S. 52 f.

Betschart, A. P.: Neue Gusskonstruktionen in der Architektur. Stuttgart 1985.

Bernert, Karl: Der gusseiserne Turm auf dem Löbauer Berg. Löbau 1986.

Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen I. Regierungsbezirk Dresden. München 1996.

Fritzsche, Doris: Zur Geschichte des Gusseisernen Turmes auf dem Löbauer Berg. 1854 bis Gegenwart. o.O. 1989.

Maag, Georg: Kunst und Industrie im Zeitalter der ersten Weltausstallungen. München 1986.

Krieg, Dr. Stefan W.: Gusseiserne Elementbauten. In: Architektur Jahrbuch 1994. Die Industrialisierung in der Architektur. München 1994. S. 11 ff..

Paxton, Joseph: Kristallpalast. Berlin 1967.

Stadt Löbau (Hrsg.): 75 Jahre Friedrich- August- Turm auf dem Löbauer Berge. Löbau 1929.

Stadt Löbau (Hrsg.): Festschrift zum Heimatfest des Turmes 10.- 13. Juni 1954.

Stadt Löbau (Hrsg.): Festschrift 150 Jahre König- Friedrich- August- Turm. Zur Geschichte des Turmes. 11. Turmfest zu Löbau 14. 08. -" 15. 08. 2004. Löbau 2004.

Stadt Löbau (Hrsg.): Der gusseiserne Turm auf dem Löbauer Berg. Löbau 1979.

Stadt Löbau (Hrsg.): Der Löbauer Berg und der Friedrich- August- Turm. Löbau 1854.

Schmidt, Eva: Der Eisenkunstguss. Dresden 1986.
 

Verwendung der Bilder - unabhängig von der Semesterarbeit


Die Bilder stehen unter der GNU Free Documentation License von Wikipedia.

Das Bild 1 basiert auf dem Turm-Bild aus der freien Enzyklopädie Wikipedia
und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist Peter Emrich.
Description: Der König-Friedrich-August-Turm auf dem Löbauer Berg
Source: http://loebauerland.lo.funpic.de/
Date: Aug. 2006
Author: Peter Emrich

Das Bild 2 basiert auf dem Turm-Bild aus der freien Enzyklopädie Wikipedia
und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist Lutz Maertens.
Description: cast-iron tower, Mountain Loebauer Berg, Saxony, Germany
Source: own work
Date: 27.08.2006
Author: Lutz Maertens



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