Kunstraub und Hehlerei zählen derzeit zu den profitabelsten illegalen Geschäften – der große ideelle und finanzielle Wert vieler Objekte macht sie zu einem beliebten Ziel für die Organisierte Kriminalität. Der entstandene Schaden lässt sich schwer beziffern; er beläuft sich weltweit auf einen jährlichen einstelligen Milliardenbetrag.
Raubgrabungen
In Deutschland und vielen anderen Ländern unterliegen Funde von archäologischen Artefakten einer Meldepflicht; für die systematische Suche muss eine Genehmigung vonseiten des zuständigen Landesamtes für Denkmalpflege eingeholt werden. Dies soll zum sicherstellen, dass bei der Ausgrabung archäologische Standards eingehalten werden und verhindern, dass Objekte in den illegalen Handel gelangen. Bei unsachgemäßer Bergung und fehlender Dokumentation gehen häufig wissenschaftliche Erkenntnise von unschätzbarem Wert verloren: Grabungszusammenhänge lassen sich nicht mehr zurückverfolgen, und die Datierung einzelner Stücke wird erschwert oder verunmöglicht.
Kunstdiebstahl durch Krieg
Bis ins 19. Jahrhundert hinein war es gängige Praxis, bei der Besetzung eines Landes dessen Kulturgüter zu rauben – dies geschah nicht nur bei Kriegen, sondern auch im Zuge der Kolonisierung weiter Teile Asiens, Afrikas und Amerikas durch europäische Mächte im Zeitraum von 1492 bis Anfang des 20. Jahrhunderts. 1899 wurde erstmals in der Haager Landkriegsordnung von der Plünderung und Zerstörung von Kulturgut Abstand genommen; unter dem Eindruck der Ereignisse der Naziherrschaft und des Zweiten Weltkriegs verfeinerte man die Regelung in der Haager Konvention von 1954. Ergänzend wurde 1970 das UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut beschlossen. In der Praxis bedeutet dies jedoch nicht immer, dass Kulturgüter ausreichend geschützt wären oder ihre Rückgabe erleichtert würde – traurige Beispiele sind die Zerstörung antiker Stätten in Syrien durch den IS seit 2013, die Plünderung irakischer Kulturgüter durch US-Soldaten 2003 oder die Zerstörung der Buddha-Statuen von Banyam durch die Taliban in Afghanistan in den Jahren vor 2001. Viele Staaten, die aus ehemaligen europäischen Kolonien hervorgegangen sind, kämpfen seit Jahrzehnten meist vergebens um die Rückgabe in der Kolonialphase geraubter Kulturgüter.
Kunstraub aus Museen und Kirchen
Die Motive für den Diebstahl von Kunstwerken aus Museen und Kirchen unterscheiden sich von Fall zu Fall. Einige Werke werden für den direkten Weiterverkauf gestohlen, andere für einen anonymen „Auftraggeber“. Manche sind aufgrund ihrer Berühmtheit selbst auf dem illegalen Markt unverkäuflich; sie werden gestohlen, um gegen Lösegeld eingetauscht zu werden. Die Sicherheitsvorkehrungen in vielen Museen sind mittlerweile äußerst avanciert, dennoch finden bis in die Gegenwart teils sehr spektakuläre Raubzüge statt – etwa der Juwelenraub im Grünen Gewölbe in Dresden Ende 2019 oder die Entwendung einer 100 kg schweren Goldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin 2017. Der finanziell betrachtet größte jemals stattgefundene Raub geschah im Jahr 1990 im Isabella Stewart Gardner Museum in den USA – die gestohlenen Werke hatten einen Gesamtwert von 500 Millionen US-Dollar.
Art Loss Register - The world's largest private database of stolen art
Die in dieser Form seit ca. 1990 bestehende Organisation mit Sitz in London hat es sich zum Ziel gemacht, die Identifikation illegal gehandelter Kunstwerke zu erleichtern. Sie stellt eine Datenbank von gegenwärtig rund 700.000 als verloren oder geraubt gemeldeten Objekten zur Verfügung. Zu ihren Kunden zählen große Auktionshäuser, Museen, Galerien und Privatpersonen. Wer sich über die Herkunft eines Werkes im Unklaren ist, kann eine Anfrage an das ALR stellen und bekommt für den Fall, dass sich das betreffende Werk nicht in der Datenbank befindet, ein Zertifikat ausgestellt – so lässt sich nicht mit Sicherheit, aber doch zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bestimmen, ob das Objekt auf ausschließlich legalem Weg den Besitzer gewechselt hat; illegal gehandelte Werke lassen sich im Fall einer Übereinstimmung zweifelsfrei identifizieren.
Etwa 60% der in der Datenbank verzeichneten Objekte sind während der NS-Zeit entwendete, beschlagnahmte oder zwangsverkaufte Kunstgegenstände. Das ALR ist daher besonders für die Wiederauffindung von Raubkunst der NS-Zeit und Rückgabe an die ursprünglichen Besitzer und deren Erben von herausragender Bedeutung.
Website: www.artloss.com
Rückgabe von NS-Raubkunst in Deutschland
Erst 1994 wurde in Deutschland die erste Institution gegründet, die sich der Rückgabe während der NS-Zeit unrechtmäßig angeeigneter Kunstwerke widmet: die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, später Koordinierungsstelle Magdeburg. Seit 2015 hat das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste ihre Aufgaben übernommen.