MARTIN SCHONGAUER. SEINE GEMÄLDE

MARTIN SCHONGAUER. SEINE GEMÄLDE
50. Schwäbischer Meister: Holzschnitt aus "sops Fabeln. Ulm, Joh. Zainer 1475

Der bedeutendste Meister der oberrheinisch-eslässischen Schule, Martin Schongauer in Kolmar, ist nicht nur für die Stilentwicklung am Oberrhein, sondern in ganz Oberdeutschland von entscheidendem Einfluß gewesen. Seine Kupferstiche sind in Maler-, Bildhauerund Goldschmiedewerkstätten zahlreich als Vorlagen verwendet worden. Neben Dürer ist er der einzige altdeutsche Künstler, dessen Namen damals schon über die Alpen nach Italien gedrungen ist. Ausgehend von der Kunst Isenmanns und nicht ohne Berührung mit dem Meister E S hat er als erster das noch Starre, Steife und Gebundene dieser Generation ins Bewegte, Geschwungene, ja, wenigstens relativ, ins Malerische umgebildet und damit erst das Formgefühl der deutschen Spätgotik völlig entfesselt.
Geboren um 1445 in Augsburg als Sohn des Goldschmieds Kaspar Schongauer, siedelte er mit seinem Vater frühzeitig nach Kolmar über. Dem Meister E S und später Albrecht Dürer ähnlich hat auch Martin ohne Zweifel den ersten Kunstunterricht in der väterlichen Goldschmiedewerkstatt erhalten. In der Malerei war sein erster Lehrer wahrscheinlich Kaspar Isenmann in Kolmar, durch den er alsbald auf Roger van der Weyden gewiesen wurde. In dessen Werkstatt - Roger selbst starb bereits 1466 - hat Schongauer die stärksten Eindrücke empfangen; schon der Lütticher Maler Lambert Lombard berichtet in einem Briefe um die M. des 16. Jhhs., Schongauer sei des großen Roger von Brügge Schüler gewesen. Lombard fügt hinzu, er stehe diesem im Kolorit aber nach. Schongauer hat in der Tat die Malweise Rogers ins Zeichnerische und dessen Formensprache ins Hagere und Scharfe umgestaltet. Seine erhaltenen Tafelbilder sind von größter Seltenheit. An der Spitze steht die einzig gesicherte große Tafel der Madonna im Rosenhag in der Martinskirche in Kolmar mit dem Datum 1473, also seiner Frühzeit angehörig (Abb. 51). In dem langgezogenen Gesicht mit schwermütig müde blickenden Augen und schmaler Nase, in den mageren bewegten Händen hält er an Rogers Typenbildung fest; die stark geschwungenen Falten aber offenbaren den Vertreter einer neuen Generation. Die dunklere und schwerere Modellierung der rötlichbraunen Aeischtöne und des leuchtend roten Mantels entfernt sich gleichfalls von der zarten kühlen Tönung Rogers. Die Madonna im himmlischen Garten, auf der Rasenbank mit der Rosenhecke dahinter, ist übrigens ein altes Motiv der rheinischen Malerei, und mochte sich am Oberrhein - wo Straßburg der Mittelpunkt der Mystik gewesen war - besonderer Beliebtheit erfreuen. Die goldschmiedeartige Feinheit in der Zeichnung der Rosenranken und der Vögel und der Kräuter und Gräser verkündet eine gesteigerte Versenkung in das Einzelne der Natur.


Quelle:
Handbuch der Kunstwissenschaft, Die Deutsche Malerei
von Dr. Fritz Burger, Dr. Hermann Schmitz, Dr. Ignaz Beth
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Wildpark.Potsdam
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