SCHONGAUER, KUPFERSTICHE

SCHONGAUER, KUPFERSTICHE
52. Martin Schongauer: Zwei Krieger. Kupferstich

Unter den weiteren, dem Schongauer zugeschriebenen Tafelbildern sind voranzustellen zwei schmale Flügel eines Altares aus der Antoniterpräzeptorei in Isenheim, jetzt im Kolmarer Museum, der hl. Antonius mit dem Stifter, Maria mit dem Kinde und rückseits die Verkündigung. Aus der Dominikanerkirche in Kolmar stammt die Folge von Passionsszenen im Kolmarer Museum, die aber im wesentlichen Gesellenarbeit ist; nur die Abnahme vom Kreuz und die Kreuzigung zeugen nach Waagen, dem Altmeister der Forschung auf dem Gebiete der oberdeutschen Malerei, für eigenhändige Mitarbeit. Ikonographisch bemerkenswert ist die Jagd nach dem Einhorn mit den symbolischen Hunden; es springt in den Schoß der im umschlossenen Garten sitzenden, von alttestamentarischen Vorzeichen der unbefleckten Empfängnis umgebenen Maria; dieser Gegenstand der Mystik findet sich öfter am Oberrhein, so auf Bildteppichen der Zeit. Unter den Bildern kleineren Formates haben bestimmten Anspruch auf Eigenhändigkeit die hl. Familien in den Galerien von Wien und München und das Flügelaltärchen mit der Anbetung der Hirten (Bd. I, Abb. 118) und Passionszenen auf den Flügeln im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum. Die kräftigen glänzenden Farben, namentlich das bräunliche Rot der Fleischtöne bei den Männern und das leuchtende Rot der Madonna im Rosenhag, desgleichen die starke Betonung der Umrisse kehren durchgängig wieder. Keines Meisters Kupferstiche vor Dürer sind so häufig von oberdeutschen Malern und Holzschnitzern kopiert worden, wie die Schongauers, und lange Zeit sind ihm von der Lokalforschung derartige, oft handwerksmäßige Arbeiten selbst zugeschrieben worden; ein bekanntes Beispiel ist das sogenannte Schongaueraltärchen im Ulmer Münster.
Schongauers Stärke liegt in seiner Zeichnung. Sie entfaltet ihre ganze Fülle und ihren Reichtum erst im Kupferstich. Hier müssen wir auf eine Würdigung seines 115 Blätter umfassenden Kupferstichwerkes verzichten und uns mit wenigen Andeutungen begnügen, um die Bedeutung seiner Stiche in dem Zusammenhang der Stilentwicklung der oberdeutschen Spätgotik zu beleuchten. Von der zaghaft zeichnenden, durch zarte Strichelung modellierenden Arbeitsweise des Meisters E S gelangt er zu einem kraftvoll scharfen zügigen Strich, der besonders das Knorrig-Kernige in den Naturbildungen hervorhebt; in der Modellierung kommt er zu einer Abstufung der Töne: mit leichten Häkchen, mit Strichlagen mittlerer Helligkeit und mit tiefsten, fast schwarz wirkenden Kreuzschraffuren vermag er als Erster Licht- und Schattenwirkungen nicht nur in vollster Kraft, sondern auch Reflex1ichter, das Spiel des Lichtes auf den Muskeln, auf Stoffen und Pelz und auf Metallgegenständen wiederzugeben; Das "Metallische" des Kupferstiches findet sich zuerst bei ihm; im Kupferstich ist er der unmittelbare Vorläufer Dürers. Nicht gering ist seine Erfindungsgabe, namentlich in den Passionsszenen, und sie haben daher auch eine ungemein häufige Wiederholung gefunden. Der ausgeprägte Sinn für das Charakteristische spricht sich besonders in den markigen knorrigen Henker- und Soldatengestalten aus; die große Kreuztragung (Abb. 53) enthält eine Fülle solcher Figuren; die Komposition des breit entwickelten Zuges ist nicht ohne Schwung; die Gabe der dramatischen Erzählung, die Schongauer hier entfaltet, läßt alles, was seine Lehrer Isenmann und Roger bieten, hinter sich. In dem lebhaften Spiel der Helligkeiten und tiefen Schwärzen ist gerade dieses Blatt ein Markstein der malerischen Unruhe, die gegen das letzte Jahrzehnt des 15. Jhhs. die oberdeutsche Kunst durchdringt. Bei alledem ist aber Schongauer in der Ausbildung der Linie nicht zurückgeblieben. In der Linie sucht er den gedrängtesten Ausdruck zu geben. Knochen, Muskeln, Falten, Haare, selbst die dürren Bäume und die Gräser und Kräuter nehmen an dem bewegten Linienspiel teil. Die Figuren werden übertrieben hager, die Falten übertrieben knittrig gezeichnet. Er geht darin bis zum Virtuosen haften, ja Manierierten. In den Marienbildern fällt dieser Gegensatz zwischen den zierlich gebildeten Köpfen und Händen und dem überreichen Faltenschwulst am stärksten auf (Bd. I, Abb. 74, 76). Seine innige Naturversenkung kommt in den kleinen Genreblättern, den beiden Kriegern, den prügelnden Goldschmiedeknaben, der zum Markt ziehenden Familie, namentlich in den Blumenornamenten - wie dem Blatt mit den Hopfenranken - zum Vorschein (Abb. 52). Die Entwürfe für Goldschmiedearbeiten (z. B. eine Patene und ein Weihrauchfaß) lassen die nahe Verbindung des Künstlers mit diesem Handwerk noch in späterer Zeit erkennen. Seine Brüder waren Goldschmiede. Durch den Bruder Ludwig, der 1479 nach Ulm übersiedelte, scheint Schongauers Stil nach Schwaben Verbreitung gefunden zu haben. Die Arbeiten Stockers in Ulm ebenso wie Wolgemuts Werke aus den achtziger Jahren und später zeigen seinen Einfluß. Auch Burgkmair hat, nach dem Bildnis Schongauers von seiner Hand in der Münchener Pinakothek zu urteilen, die Werkstatt des Meisters in jungen Jahren besucht. Im Jahre 1489 siedelte Schongauer nach Breisach über, wo er 1491 starb. Dürer, der hauptsächlich, um seine Kunst zu studieren, nach dem Oberrhein kam, fand ihn nicht mehr unter den Lebenden. Von seiner Hand und Schule haben sich auch eine Reihe Federzeichnungen erhalten, die in der kraftvollen Kreuzschraffierung den Kupferstichen nahestehen.


Quelle:
Handbuch der Kunstwissenschaft, Die Deutsche Malerei
von Dr. Fritz Burger, Dr. Hermann Schmitz, Dr. Ignaz Beth
Copyright 1924 by Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion m.b.h.
Wildpark.Potsdam
Ohlenroth`sche Buchdruckerei Erfurt

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