Die Gestaltung des Turmes- Material und Ästhetik

Über die Erscheinung des Turmes, sein Dekor und dessen Wirkung ist bereits viel gesprochen und beschrieben worden. Im Rahmen der Feier zur Wiedereröffnung nach den Restaurierungsmaßnahmen von 1993/ 94 Prof. äußerte sich Dr. Martin Sperlich, Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin hierzu wie folgt:

"...der Turm will neugotisch erscheinen, freilich aber assoziieren Stockwerkeinteilung und drei Emporen chinesische und orientalische Eindrücke, und das Detail weist eine Erinnerungen an gotische Formen ab...es kann kein Zweifel bestehen, dass den Entwerfern und Modelleuren des Löbauer Turmes der Kristallpalast in London... genau bekannt und dass ihnen auch der vielfach in Europa adaptierte maurische Stil vertraut war." (2)

Der optische Eindruck des Turmes ist dominiert von der netzartigen Struktur. Bis auf die untere Sockelzone besteht die Konstruktion sämtlich aus filigran gestalteten, ornamentierten Gussteilen. Die äußeren Wandplatten, die Stufenelemente, Druckbögen und die Geländerplatten sind hierbei als durchbrochene, nicht vollflächig gestaltete Bauteile gefertigt. Aber auch die Elemente aus Vollguss wie die Kapitelle der Säulen werden mit reichlich Ornament versehen. Es sind überwiegend florale Motive, welche symmetrisch aufgebaut sind.
Der Grundgedanke der Konstruktion von der scheinbar endlos möglichen Vervielfältigung der Einzelteile wird auch auf das Ornament angewandt. Jedes Einzelelement erhält sein jeweiliges kleinteiliges Dekor, was pro Bauteil mehrfach multipliziert wird. Somit erzeugt das Ornament den Gesamteindruck einer klaren Rasterung.
Einzig in der Gestaltung der Sockelzone und der Medaillons bzw. Wappen wird von diesem Grundschema abgewichen. Die Inschriftentafeln sind vom Aufbau her gleich gestaltet, stellen aber in ihren jeweiligen Texten und Zierformen ganz individuell alle wichtigen Informationen und historischen Fakten in Kürze zusammen.
Die positive Eigenschaft der Reproduzierbarkeit identischer Teile wird hier ganz bewusst demonstriert. Es ist die Zeit beginnender Industrialisierung in Deutschland, der Mechanisierung von Herstellungsprozessen bei der Metallverarbeitung. In dieser frühen Zeit der Montagebautechnik in Gusseisen kann jedoch noch nicht von serieller Produktion im Sinne katalogmäßig zu bestellender Systeme gesprochen werden. Es handelte sich hier noch um nicht genormte Bauteile, die für das jeweilige Objekt individuell entworfen und gefertigt wurden. In der Herstellungspraxis und Konstruktionsmethode kann aber die Errichtung des Löbauer Turmes als Vorläufer späterer industriemäßiger Produktionsmethoden gelten.
Zur Ikonographie der einzelnen Stilformen und des Bautypus ist der Turm ein Kind seiner Zeit. Die oktogonale Grundform mit Plattformen findet sich im übrigens zu jener Zeit als sehr beliebten Genre des Baus von Aussichtstürmen häufig. Die Verwendung des modernen Materials und Konstruktionsweise macht ihn jedoch zu einem außergewöhnlichen Exempel seiner Art. In Leichtigkeit und edler Eleganz erscheint er neben seinen Vettern aus massivem Stein, welche durch ihre traditionelle Materialästhetik den Charakter wehrhafter, mittelalterlicher Türme behalten.
Das Dekor setzt sich, wie auch bereits im oben angeführten Zitat benannt, aus einer Vielheit verschiedenster Stilelemente zusammen. Die jeweiligen Formen sind zwar als Rezeptionen unterschiedlicher stilgeschichtlicher Herkunft zurückzuführen, weisen jedoch im Grunde keine Stilreinheit auf, da sie vielmehr der Umsetzbarkeit in der Herstellungstechnik des Giessens geschuldet sind.

(2) Zitiert aus der Einladung zur Wiedereröffnung des Turmes am 09. 09. 1994. Stadtarchiv Löbau.
Quelle:
Semesterarbeit, FH Anhalt - Der gusseiserne Turm in Löbau
Wilma Rambow, Leipzig, Masterstudiengang Denkmalpflege, Semester: 2
Betreuender Hochschullehrer: Prof. K. Kozel

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